Predigt zum Trinitatissonntag – 30. 05. 2021 von Pfarrerin Petra Fuhrhans


Hier gibt es die gesamte Liturgie zum Nachlesen


Joh. 3, 1- 21

1Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster der Juden.  2Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. 3Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

4Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? 5Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. 6Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist.

7Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden. 8Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeder, der aus dem Geist geboren ist.

9Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie mag das zugehen? 10Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist Israels Lehrer und weißt das nicht? 11Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben, und ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. 12Glaubt ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sage? 13Und niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgekommen ist, nämlich der Menschensohn.

14Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. 16Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

17Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.

18Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

19Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.

20Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. 21Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.

Liebe Gemeinde,

letzten Sonntag habe ich im Pfingstgottesdienst von der Sprachverwirrung in Babel gesprochen und sie dem Pfingstgeschehen gegenübergestellt. Ich habe beschrieben, wie die Sprachverwirrung durch Pfingsten eine Art Aufhebung erhält oder besser gesagt, sich löst und die Verständigung durch das Wirken des Geistes, durch das Pfingstwunder, möglich ist.

Heute muss ich aber zugeben, ich bin schon wieder verwirrt.

Sie reden aneinander vorbei: Jesus und Nikodemus. Verstehen sie einander? Klären sie offene Fragen? Oder werfen sie noch mehr Fragen auf als es vorher schon gab?

Ich versuche mir die ganze Szene bildlich vorzustellen:

In der Nacht, also heimlich, kommt Nikodemus, der Pharisäer, ein Oberer der Juden, ein hochgebildeter Mann zu Jesus. 

In der Nacht, im Dunkeln. Es muss ja nicht jeder wissen; schon gar nicht seine Kollegen oder das Volk.

Nikodemus kommt nicht mit der üblichen Fangfrage, kommt nicht mit einen Beispiel, mit dem er versucht; Jesus zu Fall zu bringen wie es die Pharisäer immer wieder getan haben; man denke nur an die Frage nach der Steuer.

Er kommt, und das ist ungewöhnlich, mit einem Bekenntnis: Wir wissen, dass Du, Jesus, ein von Gott gesandter Lehrer bist. Wir wissen, dass Du großartige Zeichen tust, die man ohne Gottes Hilfe nicht tun kann. 

Wenn das kein Hohn und Spott sein soll, und das vermute ich nicht, denn dann wäre er am Tage gekommen und hätte ihn vor allen Leuten versucht.

Wenn das kein Hohn und Spott sein soll, was will Nikodemus dann?

Wenn es also wahre Sätze sind, dann hat Nikodemus und dann haben die Pharisäer längst erkannt, wer Jesus wirklich ist und mit welcher Vollmacht er handelt. Das können sie am Tage allerdings nicht zugeben und das ist ja letztlich auch der Grund, warum er sterben muss.

Nikodemus kommt in der Nacht. Vielleicht kommt er auch privat, das lässt sich vermuten. Was will er? Will er Jesus schmeicheln? Will er ein Gespräch auf Augenhöhe? Will er nähere Informationen? Will er einen bahnbrechenden Erkenntnisgewinn?

Im Gespräch kommt er gar nicht dazu, eine Frage zu stellen.

Jesus geht auf sein Bekenntnis nicht ein. Stattdessen kommt er mit seinem Thema, und Jesu Thema ist das Reich Gottes, in das die Kinder eher hineinkommen als die vermeintlich klugen alten Männer.

Für Jesus geht es um Gottes Reich und nicht um Gottes Mitsein bei einem Rabbi. Es geht um Gottes Reich, in das man kommt, wenn man von Neuem geboren wird.

Jesus will nicht bewundert werden. Im Gegenteil, er will teilen, will mitreißen, will in Gottes und damit sein  Reich aufnehmen und zwar alle, die sich darauf einlassen wollen, vermutlich sogar Nikodemus.

Jesus geht es nicht um einen Menschen, es geht ihm um etwas viel Größeres. Eine neue Welt, ein neues Miteinander, eine neue Gemeinschaft mit Gott.

Nikodemus ist neugierig und wiederspricht nicht. Er fragt nach. Ich vermute, er will es verstehen. Warum sonst wäre er heimlich in der Nacht gekommen? 

Jesus hat offensichtlich etwas bei ihm angestoßen, aber er gerät bald an seine Grenzen. Nikodemus gerät an die Grenzen seiner Vorstellungskraft. Wie kann ein Mensch von neuem geboren werden, wenn er doch groß und alt ist und vielleicht auch furchtbar festgefahren in seinen Ansichten und Meinungen? 

Das ist für ihn unvorstellbar. Er erhofft sich eine Erklärung, eine logische Erklärung. Ja, die hätte er gerne.

Die Antwort Jesu bleibt aus und steht doch im Raum. „Gar nicht“, lautet sie; jedenfalls nicht so, wie Nikodemus sich das vorstellt. Und schon gar nicht aus eigener Kraft. Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Wer das nicht ist, bleibt in der Welt verhaftet.

Armer Nikodemus! Er schafft es nicht, das nachzuvollziehen. Da muss ihm schon jemand die Tür aufmachen. Da muss dir schon jemand helfen.

Der Türöffner ist der Gleiche wie an Pfingsten, der Türöffner ist der Heilige Geist. Wer nicht neu geboren ist aus Wasser und Geist. 

Wer nicht getauft ist und in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen – das ist der menschliche Anteil, der zu erfüllen ist – und der nicht mit dem Geist beschenkt wird – das ist der göttliche Anteil, den es ebenfalls braucht – der wird nicht in Gottes Reich kommen.

Beides zusammen öffnet den Weg in Gottes Reich: menschliches, machbares,  und göttliches, unverfügbares, Handeln müssen zusammenspielen. – Ach, wenn das so einfach wäre, wie es sich anhört.

Nikodemus ist nicht zufrieden; vielleicht ist er doch zu sehr ein Kind des Fleisches; ein Kind seiner Gedankenwelt, gefangen in dem, was er gelernt hat und kann da nicht raus. 

Jesus ist auch nicht zufrieden. Er wird ungeduldig, führt Nikodemus vor. „Du bist ein Lehrer Israels und weißt es nicht …“ Ganz so freundlich ist dieser Hinweis nicht. –

Man muss Nikodemus zugutehalten, dass er verstehen will. Nur ist das mit dem Wissen und dem Werkzeug, das er hat, nicht möglich. 

Mit Logik, mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ist hier nichts auszurichten. Da kommt man nicht weiter. Der Geist weht wo er will. 

Ratloser Nikodemus! – Locker lässt er trotzdem nicht. Er will es wissen und steht sich doch selbst im Weg. 

Jesus lädt ihn ein in seine Gedankenwelt und ich habe keine Ahnung, ob Nikodemus ihm gefolgt ist, ob er ihm folgen konnte. Die Einladung aber steht unausgesprochen im Raum.

Ihr zu folgen erfordert einen großen Schritt, einen Schritt aus der berechenbaren Welt der Logik, der Erklärbarkeit in die scheinbar unberechenbare Welt des Geistes.

Diesen Schritt zu machen ist nicht einfach, denn es heißt auch loslassen können, heißt sich fallen lassen, heißt glauben, heißt vertrauen. 

Das ist mitunter ziemlich schwer, denn wir verlassen der Raum des Verfügbaren. Gottes Reich ist unverfügbar. – Ob wir das jetzt wahrhaben wollen oder nicht. – „Der Geist weht, wo er will.“

Das macht es nicht einfach, wirft es doch neue, andere Fragen auf.

Jesus und Nikodemus befinden sich auf unterschiedlichen Ebenen. 

Einer ist ganz geradlinig in der Welt verhaftet und den andere ist darüber hinaus mit dem Himmel verbunden. Horizontal der eine, vertikal der andere. 

Nikodemus ist der Erde verhaftet, Jesus ist mit dem Himmel verbunden. 

„Und niemand ist gen Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgekommen ist, nämlich der Menschensohn.“

Wobei, genau betrachtet, Jesus natürlich beides ist; mit dem Himmel und mit der Erde verbunden. Wahrer Gott und wahrer Mensch!

Und so sind es auch alle, die ihm nachfolgen, besonders. Sie sind Kinder des Geistes.  Die Kinder des Geistes sind anders als die Kinder dieser Welt. 

Die Kinder des Lichtes verhalten sich anders als die Kinder der Dunkelheit.

Das verstehe, wer will. Mir fällt es auch manchmal schwer. 

Ich fühle es, weiß mich geliebt und getragen, aber ich verstehe es nicht.

Ich lebe es, lasse meinem Glauben Taten folgen, aber ich kann es nicht erklären.

Das mit dem Glauben ist gar nicht so einfach und es ist doch so einfach, dass die Kinder es vermögen. Es ist halt nur nicht logisch.

Immer wieder versuchen wir zu erklären, versuchen zu überzeugen. 

Wer ist Gott? Gerade am Sonntag Trinitatis drängt sich diese Frage auf.

Wer ist Gott? Wie kann man ihn beschreiben? Wie kann man ihn den Menschen nahebringen? Leider sind alle meine Erklärungsvorschläge fragmentarisch, beschreiben Gott nicht ganz. Manchmal denke ich, dass die anderen, die Leugner Gottes, viel bessere Argumente haben. Das scheint alles viel logischer. 

„Wenn ich das Elend der Welt sehe, kann ich nicht glauben, dass es einen Gott gibt.“ Wer stimmt da nicht zu? 

Ich. Aber ich komme leicht ins Schleudern und meine Bilder und Beispiele sind vorläufig. 

  • Gott ist der Schöpfer der Welt. das klingt toll. Aber ist er auch der Schöpfer von Viren  und Bakterien? Hat er vielleicht Corona gemacht?
  • Jesus Christus hat uns am Kreuz erlöst. Ja klar. Aber hat er uns wirklich alle erlöst? Und, wenn ja, wo kommt den da das Böse her? Und Mord und Todschlag und Krieg und Elend?
  • Gottes Geist wirkt in der Welt. Gut! Aber warum pustet er nicht einigen Leuten mal ein bisschen Verstand in den Kopf, dass sie sich vernünftiger verhalten und anderen helfen und für sie da sind?

Alle Aussagen werfen neue Fragen auf. Und alle Bilder beschreiben nur einen Teil, einen Aspekt Gottes.

Über Jahrhunderte hinweg haben Menschen versucht Gott zu beweisen. Funktioniert hat es nicht.

Ich kann Gott nicht beweisen, ich kann ihn nicht erklären so sehr ich mich auch mühe. aber ich kann ihn wirken lassen in meinem Leben du in der Welt.

Und dazu möchte ich Sie heute einladen: Lassen wir Gott wirken und die Welt, gerne auch mit unserer Hilfe, verändern!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.