Gottesdienst vom Pfingstmontag zum Lesen und Hören

Hier können Sie den Gottesdienst mit Pfr. Till Jansen und Organist Oliver Vogeltanz anhören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Hier können Sie die Predigt nachlesen. Darin nimmt Pfr. Jansen auch Bezug auf das Lied EG 268 Strahlen brechen viele.

Strahlen brechen viele aus einem Licht. Unser Licht heißt Christus. Zweige wachsen viele aus einem Stamm. Unser Stamm heißt Christus. 

Liebe Gemeinde, 

das Wochenlied beschreibt eine ideale Gemeinde: 

Christus ist das eine Licht aus dem die Gemeinde in ihren verschiedenen Gaben und Aufgaben erstrahlt. Alle Zweige, so unterschiedlich sie auch sein mögen, dicke und dünne, blattreiche und eher knorrige, in der Krone und erdnah, sie alle sind fest verwurzelt in Christus. 

Dieses Bild der Gemeinde entwirft auch Paulus in seinem Brief an die Korinther, weil er sie zur Einheit mahnen muss. Die Korinther hatten sich heftig zerstritten. 

Manche hielten ihre Aufgabe in der Gemeinde für wichtiger als andere oder sprachen gar anderen ihren Platz in der Gemeinde ab. So kam es zu Spaltungen und Streit. Paulus erinnert die Korinther daran, wofür und auf wen hin sie eigentlich Gemeinde sind. Er schreibt: 

1. Korinther 12, 4-11

Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. 5 Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. 6 Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. 7 Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller. 8 Dem einen wird durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben; dem andern ein Wort der Erkenntnis durch denselben Geist; 9 einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; 10 einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen. 11 Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist, der einem jeden das Seine zuteilt, wie er will.

Strahlen brechen viele aus einem Licht. Zweige wachsen viele aus einen Stamm. Ein jeder hat seine Gabe, sein Talent zum Nutzen aller. 

Eine Idealgemeinde, die von innen leuchtet. 

Vollendete wachsende Gemeinschaft, voller Kraft und Leben. 

Jeder hat seinen Platz, seine Aufgabe, wird in seinem Tun und seinem Sein von den anderen anerkannt und respektiert. 

Jeder und jede weiß genau, welche Gabe er oder sie vom Geist zugeteilt bekommen hat und tut seine Aufgabe an der richtigen Stelle gern und mit Lust. Es herrscht kein Neid und keine Konkurrenz. Wenn der geistig etwas eingeschränkte einen Rat braucht geht er zum Weisen, wer Krank ist lässt sich heilen, von dem der nicht krank wird, wer nicht glaubt lässt sich von dem mittragen, der glaubt oder zu dem, der Wunder tut, um sich überzeugen zu lassen, der Orientierungslose geht zu dem, der die Geister unterscheiden kann, denn er kann ihm sagen, was richtig ist. 

An diesem Fließband der Glaubensorganisation sitzt jeder Handgriff, jeder tut seinen Dienst an seinem Platz, vereint unter einem Unternehmensgeist. Wer sich hier bewirbt, hat in seiner Bewerbungsmappe seine Talente und Begabungen fein säuberlich aufgelistet nach Allgemeinnutzen und Original Geist-Zertifikat und Grad der Begabung. 

So kann man ressourcensparend und unter dem Eindruck sinkender Mitgliederzahlen Kirche gestalten, mit ineinandergreifender Kooperation und Kompetenzorientierung: nicht alle machen alles, sondern nur jeder das, was er oder sie wirklich kann. 

Ich hoffe, Sie und ihr habt euren Platz und eure Gabe schon gefunden, sonst wird es für Sie und euch hier in der Gemeinde und Kirche schwer. 

Lücken im Lebenslauf werden bei Bewerbungen nicht gern gesehen. Wie, Sie haben eine Zeit lang nicht gewusst, wie es für Sie weitergeht? 

Es ging Ihnen ein Jahr lang wirklich schlecht und sie waren nicht so zielstrebig und klar, wie sie es hätten sein sollen? 

Gefragt nach ihren Stärken und Schwächen fallen ihnen gerade mehr von den letzteren ein, aber die wollen Sie lieber nicht aussprechen? Verstehe ich gut. 

Sind Sie eigentlich sicher, dass ihre Stärken wirklich Stärken sind? 

Unser Licht heißt Christus. Unser Stamm heißt Christus. 

Wo aber ist Christus in einer solchen Gemeinde? 

Es heißt, er säße draussen beim Essen mit denen, die nicht reindurften. 

Vielleicht doch nicht die ideale Gemeinde? 

Habe ich Paulus also mißverstanden? Jein! 

Wenn es Eindeutigkeiten gäbe und eine Welt, die sich vollkommen klar in Kategorien einteilen ließe, würde ein solches Zusammenleben und fabrikartiges Durchorganisieren von Gemeinschaft vielleicht funktionieren – aber wer würde in einer solchen Welt leben wollen? Ich nicht. 

Das Einteilen und Aufteilen von Aufgaben, das Erkennen von Begabungen, das Finden des eigenen Platzes in der Gemeinschaft bleibt, so nötig es für die Gemeinschaft und bis zu einem gewissen Grad auch für jeden einzelnen selbst ist, immer unvollständig, immer Kompromiss, immer veränderlich. 

Das wusste auch Paulus. Die Korinther sollen einen ersten Schritt lernen: Es gibt verschiedene Aufgaben, es gibt verschiedene Begabungen, aber es gibt kein Ranking von Wichtigkeiten, es gibt keine überflüssigen und zu vernachlässigenden Gaben oder gar Menschen. Es geht in der Gemeinde der Glaubenden nicht darum, dass ich meinen Platz behaupte und erhöhe. Es geht um die rücksichtsvolle Bezogenheit aufeinander und auf Gott. 

Also spielt er die Aufgaben durch: Prophetie, lehren, heilen, Ekstase und analytisches Deuten, Weisheit. 

Paulus als ziemlich verkopfter Gelehrter übersieht schon hier: Stühle stellen, Brote schmieren und Räume dekorieren, Küsterdienste übernehmen, Gemeindebriefe austragen und Artikel schreiben, Finanzen durchsehen und planen, Einkaufen für den Nachbarn, Predigten mitnehmen und dem Nachbarn einwerfen, das Nachbarkind für einen Nachmittag betreuen, einen Weg gemeinsam gehen. 

Aber er weiß selbst darum und redet ja sogar dagegen an, dass wir alle, nicht nur die Korinther, unser Zusammenleben in kalte Effizienz, in geschlossene Systeme voller Ängste, Neid und Verlorenheit, in Ausgrenzung verdrehen können. 

Ganz am Ende seiner Darstellung einer in Gaben aufgegliederten Gemeinde, die nur funktionieren kann, wenn sie zusammenarbeitet und zusammenhält, schreibt er: 

Strebt nach den höheren Gaben. Und ich will euch einen noch besseren Weg zeigen. Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.

Gaben gibt es viele – Liebe vereint. 

Mit den Worten des Paulus im Ohr höre ich diese Liedstrophe beinahe wie einen Gegensatz: Es mag ja viele Gaben geben, es mag auch Menschen geben, die ihre Gaben noch nicht entdeckt haben, es mag auch Menschen geben, die einer Gabe nachgehen, die sie vielleicht doch nicht so richtig besitzen – was wirklich vereint ist: Liebe. 

Liebe lässt Fehler zu. Liebe gibt Zeit und Raum. Liebe ist nicht effizient. Liebe leidet auch und birgt Konflikte, sie dürfen gleichzeitig aber auch sein. Liebe fragt jede vorschnelle Einteilung und Kategorisierung an. 

Liebe kann sagen: „Ich weiß es nicht“ und „Ich kann es nicht“. 

Eine ideale Gemeinde hat demnach Leerstellen, Unsicherheiten, Fehlbesetzungen, Arbeiten, die mal liegenbleiben, Phasen, in denen alle erschöpft sind, Krach und Konflikte, UND sie bleibt gleichzeitig offen, sie bleibt in der Gemeinschaft einander verbunden, sie feiert und lebt, weil sie liebt. 

Gott schenke unserer Gemeinde, aber auch unserem Stadtteil und der Stadt, unserer Arbeitswelt und unseren Familien seinen Geist der Liebe, der Kraft und der Besonnenheit. Amen