Predigt zum Sonntag Kantate, 10. Mai 2020

von Pfr. Dr. Till Jansen

Die Predigt können Sie unten lesen oder hier hören:

Der Friede Gottes sei mit uns allen, die wir diesen Gottesdienst lesen oder hören.

Das Singen und Musizieren steht heute im Mittelpunkt, denn wir feiern den Sonntag Kantate: Singt! ist das Motto des heutigen Tages und das wollen wir auch tun. Umso dankbarer bin ich, dass unsere Kirchenmusiker mit dabei sind und uns Gelegenheit geben zum Musik hören und Singen. 

In den Gottesdiensten, die wir ab nächster Woche mit vielen Vorsichstmaßnahmen wieder in der Markuskirche feiern werden, dürfen wir leider nicht singen, aber in unseren Häusern natürlich schon. 

Wenn Sie mögen, dann singen Sie doch gleich mit: 

Du, meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd, ich will ihn herzlich loben, solang ich leben wird. 

Ein Lied von Paul Gerhardt aus dem 17. Jahrhundert. Ein Lied, das geradezu von Zuversicht strotzt: Gott rettet und wir werden an seinem Heil teilhaben, ganz gewiß. 

Er weiß viel tausend Weisen zu retten aus dem Tod, ernährt und gibet Speisen zur Zeit der Hungersnot, macht schöne rote Wangen oft bei geringem Mahl und die da sind gefangen, die reißt er aus der Qual. 

Paul Gerhardt schreibt dieses Lied in einer für ihn glücklichen Zeit: Er hatte gerade das Propstamt im brandenburgischen Mittenwalde übernommen, das Land erholte sich von den Kriegsfolgen des dreißigjährigen Krieges, zwei Jahre später wird Paul Gerhardt heiraten. 

Mich erstaunt diese Heilsgewißheit und das überschwängliche Gotteslob immer wieder. Paul Gerhardt hatte so viel schlimmes erlebt: den frühen Tod beider Eltern, Pest und Krieg, die zusammen die Bevölkerung halbiert hatten: Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön. Nach so viel Unheil, singt die Seele schön, weil Gott bewahrt. Das ist eine Glaubensgewißheit, die wir heute kaum mehr so leben können, wie im 17. Jahrhundert. Im Unterschied zu damals haben wir das Gefühl, unser Leben mehr in der Hand zu haben und Risiken kontrollieren zu können. Und das stimmt ja auch, zumindest bis zu einem gewissen Grad wie wir zur Zeit erleben müssen. Leben und Sterben war vor 400 Jahren bei weitem unverfügbarer, unverstehbar und doch und gerade deswegen alltäglich präsent. Die Lieder aus dieser Zeit haben daher ihre ganz eigene Sprache, beinahe wie aus einer anderen Welt. 

Bei aller Fremdheit ist uns aber doch etwas von diesem Klang und auch von dieser Hoffnung erhalten geblieben. 

Zu Beginn der Coronazeit wurde in Italien auf Balkonen und aus Fenstern heraus Musik gemacht und gesungen – fröhliche und mutmachende Musik trotz der schlimmen Umstände. Eine Bekannte aus meiner alten Gemeinde schickte mir einen Link zu einem Youtube-Video, wo sie mit ihren Kinderchören mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren über Videokonferenz ein Lied aufgenommen hat – es ist berührend wie fröhlich die Kinder singen voller Lust am Musikmachen und tanzen. 

Ich habe in letzter Zeit mal wieder Schubertlieder angehört und am Klavier angespielt, die ich vor vielen Jahren geübt und gehört habe und merke nun, wie sehr sie mein Leben begleitet haben. Musik aller Art klingt weiter und klingt neu, verbindet Zeiten und Leben und manchmal, wenn wir uns trauen, singt die Seele mit – von Dankbarkeit und Schmerz, von Hoffnung und Sehnsucht, von Höhen und Tiefen. Wir müssen immer wieder mal die alten Worte der alten Lieder erklären, wir nutzen neue Worte und neue Lieder, Melodien ändern sich und Rhythmen und Geschmäcker sind unterschieden – und dennoch: Im Singen klingt unser Leben mit, damals wie heute. 

Daher ist es eigentlich ganz unvorstellbar, dass wir in den nächsten Gottesdiensten vorerst nicht singen können. Besonders, wenn wir den heutigen Predigttext hören. Er liest sich in Coronazeiten mit social-distancing auf eine besondere Weise, weil gedrängte Menschenmengen und viele Musiker vorkommen. Im Vorfeld des Wiederbeginns unserer Gottesdienste, die ohne Gesang auskommen müssen, macht der Text auch ein wenig traurig. Es ist ein Abschnitt aus dem 2. Chronikbuch, in dem erzählt wird, wie die Bundeslade, ein Kasten in dem die 10 Gebote liegen, in Jerusalem zum Tempel getragen wird, damit der Tempel eingeweiht und Gottesdienste gefeiert werden können. 

Besonders bemerkenswert ist das Ende dieses Textes, auf den Sie besonders hören sollten. 

2. Chronik 5, 2-5+12-14:

Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. 3 Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. 4 Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf 5 und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; … 12 und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. 13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, 14 sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

Liebe Gemeinde, 

so wichtig ist Musik und gemeinsamer Gesang, der diese vielen Menschen vereint zu einer Stimme, dass Gottes Herrlichkeit den Tempel erfüllt. Und das so, dass die Priester wegen dieser Wolke der Herrlichkeit Gottes ihren Dienst gar nicht tun konnten. 

An dieser Stelle sollte ich also Schweigen und den Kirchenmusikern und Ihnen als Sängerinnen und Sängern das Feld oder besser den Tempel überlassen. Keine bloßen Worte mehr, sondern nur noch Gesang, denn Singen öffnet unser Herz für Gott und für uns selbst, Singen lässt uns aus uns heraustreten und legt Gefühle frei, Singen ist körperlich und geistlich zugleich, Singen verbindet und befreit, Singen ist ein vollkommenes Gebet, singen ist Ausdruck der Herrlichkeit Gottes.  

Stimmen Sie also mit ein, beten Sie mit und singen vor Gott, allein, mit mir über die Homepage oder mit Freunden und Verwandten, am Klavier oder einfach so, am Fenster, wenn Oliver Vogeltanz kurz nach 10.00 Uhr heute vom Turm blasen wird, oder ganz für sich, wenn ausser ihnen und Gott niemand zuhört. 

Den Text für die beiden Wochenlieder, Nr. 302 aus dem Gesangbuch (Du meine Seele singe) und EGplus 96 Ich sing dir mein Lied finden Sie ebenfalls auf der Hompage oder in ihrem Gesangbuch. Oder Sie singen ein Lied, dass sie kennen und mögen und für ihr Leben wichtig ist. 

Der Friede Gottes und die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Ihnen allen. 

Amen

EG 302 Du, meine Seele, singe

1) Du meine Seele, singe, / wohlauf und singe schön
dem, welchem alle Dinge / zu Dienst und Willen stehn.
Ich will den Herren droben / hier preisen auf der Erd;
ich will Ihn herzlich loben, / solang ich leben werd.

2) Wohl dem, der einzig schauet / nach Jakobs Gott und Heil!
Wer dem sich anvertrauet, / der hat das beste Teil,
das höchste Gut erlesen, / den schönsten Schatz geliebt;
sein Herz und ganzes Wesen / bleibt ewig ungetrübt.

3) Hier sind die starken Kräfte, / die unerschöpfte Macht;
das weisen die Geschäfte, / die Seine Hand gemacht:
der Himmel und die Erde / mit ihrem ganzen Heer,
der Fisch unzähl´ge Herde / im großen wilden Meer.

4) Hier sind die treuen Sinnen, / die niemand Unrecht tun,
all denen Gutes gönnen, / die in der Treu beruhn.
Gott hält sein Wort mit Freuden, / und was Er spricht, geschicht,
und wer Gewalt muß leiden, / den schützt Er im Gericht.

5) Er weiß viel tausend Weisen, / zu retten aus dem Tod,
ernährt und gibet Speisen / zur Zeit der Hungersnot,
macht schöne rote Wangen / oft bei geringem Mahl;
und die da sind gefangen, / die reißt Er aus der Qual.

6) Er ist das Licht der Blinden, / erleuchtet ihr Gesicht;
und die sich schwach befinden, / die stellt Er aufgericht´.
Er liebet alle Frommen, / und die Ihm günstig seind,
die finden, wenn sie kommen, / an Ihm den besten Freund.

7) Er ist der Fremden Hütte, / die Waisen nimmt Er an,
erfüllt der Witwen Bitte, / wird selbst ihr Trost und Mann.
Die aber, die Ihn hassen, / bezahlet Er mit Grimm,
ihr Haus und wo sie saßen, / das wirft Er um und um.

8) Ach ich bin viel zu wenig, / zu rühmen Seinen Ruhm;
der Herr allein ist König, / ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre / gen Zion in Sein Zelt,
ist´s billig, daß ich mehre / Sein Lob vor aller Welt.

EGplus 96 Ich sing dir mein Lid

1. Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. Die Töne, den Klang hast du mir gegeben von Wachsen und Werden, von Himmel und Erde, du Quelle des Lebens dir sing ich mein Lied. 

2. Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. Den Rhythmus, den Schwung hast du mir gegeben von deiner Geschichte, in die du uns mitnimmst, du Hüter des Lebens. Dir sing ich mein Lied. 

3. Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. Die Tonart, den Takt hast du mir gegeben von Nähe, die heil macht, wir können dich finden, du Wunder des Lebens. Dir sing ich mein Lied. 

4. Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. Die Höhen und Tiefen hast du mir gegeben. Du hältst uns zusammen trotz Streit und Verletzung, du Freundin des Lebens. Dir sing ich mein Lied. 

5. Ich sing dir mein Lied – in ihm klingt mein Leben. Die Töne, den Klang hast du mit gegeben von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen, du Zukunft des Lebens. Dir sing ich mein Lied.