Predigt zum 03. Mai 2020 von Pfarrerin Petra Fuhrhans

Herr, wohin sollen wir gehen? – Auf dem Weg des Glaubens

– Text für die Gemeinde in der Krise. –


Liebe lesende Gemeinde,

dieses Wochenende sollte ein ganz besonderes Wochenende für unsere Konfirmanden und Konfirmandinnen, ihre Familien und Freunde und unsere Gemeinde werden.
Konfirmation wollten wir miteinander feiern, ein wichtiges Fest auf dem Weg des Glaubens.
Die Jugendlichen sollten sich entscheiden, wo ihr Weg künftig hinführen soll.
Sie sollten eine Antwort geben auf die Frage, zu wem sie gehören werden.
Der Konfirmandenunterricht, der zur Vorbereitung dieses Festes gehört, hat sie auf ihre Entscheidung vorbereiten, damit sie wissen, wofür sie sich entscheiden. Mit einer persönlichen Entscheidung sollten sie ihre Taufe bestätigen wie bereits ihre Eltern, Paten und Großeltern und die Menschen hier in der Gemeinde.
Dann sollte es losgehen in ein Leben als Christin als Christ, ein großes Stück weiter auf dem Weg des Erwachsenwerdens, ein großes Stück weiter auf ihrem Lebensweg; gestärkt mit dem Segen Gottes.
„Confirmare“ ist lateinisch und heißt übersetzt „bekräftigen“ oder „stärken“ und „Konfirmation“ bedeutet „Bekräftigung“ oder „Stärkung“. Diese Stärkung sollte ihnen am heutigen Sonntag mitgegeben werden auf dem Weg am Ende der Kindheit und am Anfang des Erwachsenwerdens. Ins Neue sollte es gehen und es wäre aufregend gewesen und vielleicht auch ein bisschen beängstigend.

Es sollte. Dann kam Corona und hat uns alle ausgebremst, zurückgeworfen ins Haus, in unsere Wohnungen und die Konfirmandinnen und Konfirmanden in ihre Kinderzimmer, aus dem sie sich schon ein Stück entfernt hatten.
Und plötzlich ist man wieder Kind, darf dies nicht und jenes nicht, kann seine Freundinnen und Freunde nicht sehen, darf nicht mit ihnen abhängen, darf seinen Hobbies nicht nachgehen, darf nicht einkaufen, darf nicht mal einen Kaffee irgendwo trinken, muss sich an Regeln halten, die andere vorgeben, und kriegt Ärger, wenn man es nicht tut.
Die Zukunft ist für die Jugendlichen in weite Ferne gerückt, von Erwachsenwerden keine Spur und auch uns erscheint alles seltsam.
Erwachsen sind im Moment nicht einmal die Erwachsenen. Sie dürfen auch nicht tun, was sie wollen. Auch für uns ist das eine schwierige Situation. Für die Jugendlichen, für die Eltern, für die Älteren und die ganz Alten und natürlich auch für Pfarrerinnen und Pfarrer ist das alles nicht einfach.
Ausgebremst! Da hat man sich gerade aufgemacht und dann wird man wieder zurückgepfiffen. Es ist schon zum Verzweifeln für die Jugendlichen.
Ausgebremst! Da hat man sich sein Leben wunderbar eingerichtet und alles läuft gut, und dann wird man wieder zurückgepfiffen, muss Angst haben um seine Gesundheit, sein Leben, seine Existenz. Es ist schon zum Verzweifeln auch für uns Erwachsene.

Ein Bild habe ich den Jugendlichen heute geschenkt. Es stellt einen Jugendlichen dar, der durch eine Tür geht. Hinter ihm liegt sein Kinderzimmer. Sein alter Teddy sitzt unbeachtet hinter der Tür, der Ranzen liegt achtlos am Boden, das Schaukelpferd schaut ihm traurig nach. Die Tür führt nach draußen. Vor dem Jungen liegen viele Stufen nach oben. Sie sind wie ein Nebel gemalt. Ein Ziel kann man noch nicht erkennen, viel Ungewisses liegt noch vor ihm. Was wird ihn erwarten? Was wird auf ihn zukommen? Wo führt ihn sein Weg hin?
Er wirkt auf mich wie jemand, der durchaus noch Hilfe brauchen kann. So wie unsere Jugendlichen, wenn sie losgehen. Und sie werden losgehen, wenn auch etwas später. Da bin ich mir ganz sicher.
Ein Wort aus dem Johannesevangelium möchte ich Ihnen und uns allen mit auf den Weg geben. Es steht im 6. Kapitel in Vers 66 bis 69 und lautet: „Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm. Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt ihr auch weggehen?
Da antwortete ihm Simon Petrus:Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.

Liebe lesende Gemeinde!

In dieser Geschichte wird von Jüngern erzählt, die von Jesus weggehen, weil sie vieles, was er tut, nicht verstehen können wie z.B. seinen freiwilligen Weg ans Kreuz. Wir kennen das aus unserem eigenen Leben. Manchmal geht es uns ja auch so wie den Jüngern, dass wir Gott nicht verstehen können, je nach dem, was uns im Leben zustößt.- Ich zum Beispiel verstehe ihn im Moment nicht wirklich. Ich würde allerdings auch nicht weggehen. Ratlos bin ich trotzdem. –
In dieser Geschichte hören wir aber auch von einer anderen Gruppe der Jünger, die bei Jesus bleiben wollen. Zu dieser Gruppe zähle ich uns alle heute. Mit ihnen verbindet uns heute die Frage „Wohin sollen wir gehen?“
Es ist ja alles noch offen und ungewiss, für die Konfirmandinnen und Konfirmanden jedenfalls. Die Jugendlichen stehen ja erst am Anfang eines selbstverantworteten Lebens. Sie wissen noch nicht wie es einmal werden wird. Sie haben noch so viel vor sich. Aber auch für uns Erwachsene ist im Moment vieles offen. Wo wird diese ganze Krise uns hinführen? Wie lange wird noch alles ungewiss bleiben? Was wird sich verändern?
Wir alle wünschen uns für unser Leben, dass es gut und sinnvoll wird, dass wir uns nicht alleine durchkämpfen müssen, dass wir immer eine Familie haben und Freunde, die uns auf dem Lebensweg begleiten und mit denen das Leben Spaß macht.

Simon Petrus, der beste Freund Jesu, der Jesus diese Frage gestellt hatte „Herr, wohin sollen wir gehen?“ gibt jedoch auch gleichzeitig den Grund an, warum er bei Jesus bleiben will. Er antwortet nämlich. Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
Petrus hat mit Jesus gute Erfahrungen gemacht, an die er sich jetzt erinnerte.
Er hatte Jesu Worte des ewigen Lebens gehört, als er und die anderen Jünger in ihrem kleinen Fischerboot am See Genezareth in einen Sturm gerieten und dachten, sie würden alle ertrinken. Er hatte sie gehört, als er selbst übers Wasser ging und dann das Vertrauen verlor. Er hatte sie auch gehört, als ein Streit unter den Jüngern ausgebrochen war, wer der größte unter ihnen sei und Jesus mit wenigen Sätzen ihren Streit schlichtete. Und schließlich hörte Petrus Jesu Worte des ewigen Lebens als Jesus ihn, der bei seiner Verhaftung jämmerlich versagt hatte, beauftragte, sich nach seinem Tode um die anderen zu kümmern und die kleine Gruppe der Freundinnen und Freunde Jesu an seiner Stelle weiterzuführen.

Auch Sie können wie Petrus, Jesus Worte des ewigen Lebens hören, wenn Sie sich Gott beim Beten anvertraut und von ihm für das, was vor Ihnen liegt, Kraft und Mut erhalten. Sie können sie als Trostworte hören, wenn Ihnen etwas misslingt und Sie verzweifelt sind. Sie können sie auch da hören, wo Sie Streit unter Freunden und in der Familie schlichten und einander akzeptieren, egal, was Sie für Eigenarten und Besonderheiten haben. Wie Petrus können Sie dann Jesu Worte des ewigen Lebens hören, wenn Sie einmal in Ihren Beziehungen zu Hause oder mit Freunden versagt haben und einander durch ein offenes Gespräch oder auch beim Abendmahl verzeihen können, weil Gott Ihnen bereits vergeben hat.

Jesus Worte des ewigen Lebens sind also Worte, die sich durch unser Leben ziehen, die uns stärken und stützen, zu denen wir stehen können, weil sie uns ein gutes Leben mit Gott und euren Mitmenschen ermöglichen. Und es sind Worte, die über den Tod hinaus tragen. Ewiges Leben meint nicht nur ein gelungenes irdisches Leben, sondern meint, dass unser Leben auch nach dem Tod bei Gott weitergeht. Wie Jesus auferstanden ist, werden auch wir auferstehen.
Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist, aber genau daran haben die Jünger damals geglaubt und daran glauben wir Christen heute immer noch. Es wird so oft vergessen, dass es mehr gibt als dieses eine Leben, das wir kennen. Aber gerade in dieser Krise, in der Menschen sterben müssen, brauchen wir diese Botschaft, die uns zusagt, dass letztlich das Leben über den Tod siegen wird.

Für ein solches Leben entscheiden sich nicht nur die Konfirmandinnen und Konfirmanden in ihrer Konfirmation, sondern wir uns alle jeden Tag neu, und ich denke, das ist eine Entscheidung, die sich lohnt.
Bei dieser Entscheidung lässt Gott die Jugendlichen nicht alleine, sondern er will sie wie den Jungen auf dem Bild, der sein Kinderzimmer verlässt, bei den Aufgaben und Herausforderungen, die auf eurem Lebens- und Glaubensweg vor ihnen liegen, begleiten.
Bei unserer täglichen Entscheidung für einen Weg mit ihm, will er für uns da sein.
Konfirmation ist ein Zeichen für Gottes Begleitung. Die jungen Leute wird der Segen der ihnen zugesprochen wird, stärken auf ihrem Weg ins Leben. Sie werden seinen Segen erhalten. Wir haben den Segen schon vor vielen Jahren erhalten. – bei mir sind es in diesem Jahr 40 Jahre her.
Gott sagt Konfirmanden und Konfirmandinnen am Konfirmationstag seine Nähe, seine Begleitung und seine Hilfe zu. Diese Zusage erneuert er jeden Tag wieder. Täglich können wir sie spüren: seine Nähe, seine Begleitung, seine Hilfe.
Er ist immer für uns da, wenn wir uns an ihn wenden.
Wir sind und bleiben für immer Gottes Freundinnen und Freunde, denen er mit seinem Worten des ewigen Lebens Mut, Vergebung und Hoffnung schenken will in diesem Leben und darüber hinaus.

Amen.


Von allen Seiten umgibst Du mich
und hältst Deine Hand über mir.

Gott, Du kennst mich,
Du achtest mich.
Nie gibst Du mich verloren.

Ich sitze oder stehe,
ich liege oder gehe.
Du hältst Deine Hand über mir.

Von allen Seiten umgibst Du mich
und hältst Deine Hand über mir.

Alle meine Wege sind Dir bekannt.
Alles, was ich denke und sage:
Du kennst es.
Mein ganzes Leben liegt offen vor Dir.

Wenn ich in Schwierigkeiten bin,
willst Du mich begleiten.
Wenn ich nicht aus noch ein weiß
und mich am liebsten verstecken möchte,
so bleibt Dir meine Not nicht verborgen.

Gott, Du kennst mich,
Du achtest auf mich.
Nie gibst Du mich verloren.

Von allen Seiten umgibst Du mich
und hältst Deine Hand über mir.

Nach Psalm 139


Gebet

Da ist einer

Ich freue mich, denn ich werde gerufen.
Da ist einer, der mich kennt.
Da ist einer, der meinen Namen weiß.
Da ist einer, der mich braucht.
Ich freue mich, denn ich werde gerufen –
Anzufangen, aufzubrechen, loszugehen,
immer der Stimme nach.
Ich freue mich, denn ich werden gerufen,
obwohl ich so viel falsch mache,
obwohl ich doch oft Angst habe,
obwohl meine Hände leer sind.
Ich freue mich, denn ich werde gerufen- Trotzdem!
Immer wieder, jeden Tag.
Ich muss es wagen, denn ich werde gerufen
zu einer Aufgabe, zu Verantwortung, zum Leben.
Ich werde gerufen auf meinen Weg zu dem,
der mir einst meinen Namen gab, mit dem er mich jetzt ruft. Amen.