Predigt zum Nachlesen (Sonntag Invocavit)

Hier können Sie die Predigt vom Sonntag Invocavit (18.02.2024) aus der Markuskirche von Pfr. Till Jansen nachlesen.

Predigt

Vor kurzem habe ich ein Konzert besucht. Bevor es losging, saß ich gespannt und mit Vorfreude im Publikum und irgendjemand hinter mir sagte: „Der arme Sänger – das muss furchtbar für ihn sein.“ Und da erinnerte ich mich, dass ich auch gelesen hatte, dass der Sänger, den ich gleich hören würde, unter enormem Lampenfieber leidet, obwohl oder gerade weil er ein so gefeierter Sänger ist. Also stellte ich mir unweigerlich vor, wie er vor der Tür zur Bühne steht und ganz genau weiß: Wenn ich da jetzt durchgehe, dann geht es los, dann muss ich den Erwartungen gerecht werden, meinen eigenen und denen der Zuhörer.

Haben Sie auch schon einmal so etwas erlebt? Vor einer Prüfung, vor einem Auftritt, bei einem Bewerbungsgespräch oder vor einer Klassenarbeit?

Ich schätze mal, wir kennen alle den Impuls, die Tür Tür sein zu lassen und nicht hindurchzugehen. Nur weg. Meist wären die Konsequenzen dann auch nicht gerade rosig – aber die Angst davor, hindurchzugehen und nicht zu schaffen, was einen auf der anderen Seite erwartet, kann eine starke Versuchung sein: umdrehen und weggehen.

Zum Glück ist der Sänger auf die Bühne gekommen und es war wirklich ein großartiges Konzert.

Ich stelle mir auch Jesus Christus vor, der gerade von dem berühmten Johannes dem Täufer im Jordan sehr publikumswirksam getauft worden ist. Jesus war von Johannes schon angekündigt worden:

„… der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“

Und als Jesus getauft wird, da öffnet sich der Himmel und es erklingt eine Stimme aus dem Himmel:

„Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

„No pressure“ würde ich mal sagen: die Erwartungen sind kaum zu toppen.

Bevor Jesus aber als Prediger und Heiler in die Öffentlichkeit tritt, zieht er sich zurück in die Wüste, oder eher: es verschlägt ihn dorthin. In der Wüste wird er mit drei Versuchungen konfrontiert, die wir in der Erzählung des Matthäus hören und bedenken und uns jeweils in der Stille etwas Zeit nehmen, eigenen Gedanken und Gefühlen nachzugehen.

Wir hören die Versuchungsberichte aus dem Mätthäusevangelium im 4. Kapitel: 

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. 2Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. 4Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«

Liebe Gemeinde,

der Versucher hat seine Hausaufgaben gemacht. Auf gleich mehreren Ebenen setzt er den Hebel an: Zuerst ganz einfach:  dass da nach 40 Tagen hungern in der Einsamkeit jemand da ist. Er tritt an ihn heran.

Dann ein zweiter Hebel:Bist Du Gottes Sohn, dann … Also sollte das stimmen, wie es gesagt wurde … ich glaube es ja nicht so recht, aber du kannst das sicher klarstellen und beweisen.

Der Versucher holt Jesus da ab, wo er nach der spektakulären Taufe hier in der Wüste gedanklich ist: Seiner enormen Aufgabe, bei den Erwartungen der Leute, vielleicht bei seinem Stolz oder seinem Zweifel (wer weiß).

Und der letzte Hebel ist natürlich der Hunger: Das, was Jesus am meisten begehrt, könnte er doch durch nur ein Wort sich beschaffen und zugleich seine Position als Sohn Gottes vor dem Versucher klarstellen.

Und wenn er es nun täte?

Dann wäre seine erste Wundertat ein Versuch, sich selbst zu rechtfertigen vor dem Zweifler, eine gekränkte Suche nach Ehre vor dem Spötter, ein Einknicken vor dem, der seine Schwäche nutzt und vor allem: die Menschwerdung Gottes wäre eine Farce, wenn der Sohn Gottes sich selbst aus Steinen einfach Brot macht, während andere in ihrer Not anfangen, unverträgliches Gras zu essen oder verdorbene Lebensmittel.

Was wäre eine solche Versuchung für Sie?

Bei was müsste man Sie in Frage stellen, dass Sie meinen sich selbst beweisen zu müssen?

Was brauchen Sie so dringend oder was meinen Sie vielleicht auch nur dringend zu brauchen, dass sie auch gegen ihr Gewissen zugreifen würden?

Und noch schärfer gefragt: Wo greifen wir ständig zu, obwohl wir wissen, dass es anderen schadet oder uns auf so einfache Weise nicht zustehen dürfte?

Ich lade Sie ein, diesen Fragen in der Stille einen Moment nachzugehen.

STILLE

5Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Ps 91,11-12): »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«

Liebe Gemeinde,

wieder ist ein Hebel die Frage nach der Gottessohnschaft: Bist Du Gottes Sohn. Nun aber nicht mehr im Rahmen der einsamen Wüste. Der Versucher stellt ihm das geistige Zentrum vor Augen:  Jerusalem liegt zu seinen Füßen. Er ist im Zentrum der Macht seines Landes, am öffentlichsten Ort, den Juden sich vorstellen können, auf dem Tempel – für jedermann sichtbar auf der Wohnstatt Gottes. „Bist Du der Sohn Gottes, so kannst du doch dein Vertrauen in Gott mir und aller Welt unter Beweis stellen. Bist Du Gottes Sohn, dann wird er dir wohl helfen, nicht wahr?“

Wie fühlt sich das für Sie an, wenn jemand auf Geheiß eines dritten ihre Vertrauenswürdigkeit bewußt testet? Vielleicht sogar, um diesem Dritten im Machtkampf eins auszuwischen?

Auch der Autor des Psalms geht bestimmt nicht davon aus, dass man seinen Fuß nicht an einen Stein stößt. Er sucht sprachliche Bilder, um zum Ausdruck zu bringen, dass in aller Gefahr und allem Leid, das ihn trifft, sein Vertrauen in Gottes Heil dennoch ganz und umfassend bestehen bleibt – auch wenn und gerade weil er nicht sehen kann, wie dieses Heil geschehen und aussehen könnte.

Dabei wäre es doch zu schön, das Heil jetzt gleich und konkret zu haben, eine Garantie zu haben, alles auf Sicherheit zu setzen.

Wie schwach wirkt da die Ohnmacht?

Was setzt ihr Vertrauen in das Gute aufs Spiel?

Wir sind einen Moment still

Stille

8Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. 10Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« 11Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

Liebe Gemeinde,

was wäre, wenn Gott sein Heilswerk nicht als Einladung und Werbung um Vertrauen begonnen hätte, mit Aufopferung und Versöhnung, mit Liebe und Geduld, wartend darauf, dass das Verlorene umkehrt, zu sich selbst zurück und zu Gott. Was, wenn er es einfach durchgesetzt hätte? Wenn er die ganze Welt, von der wir glauben, dass Sie sowieso zu Gott gehört, selbst wieder in Besitz genommen hätte?

Wann immer wir Menschen versuchen, ein Reich Gottes mit Macht zu verwirklichen, dann endet das Heilswerk Gottes und es entsteht ganz irdischer Terror, jede Freiheit endet, Liebe stirbt, Geduld stirbt, Versöhnung wird unmöglich gemacht. Wo immer Christen dies mit Macht versuchten, dort haben sie Leid gesät.

Als Jesus diesen Gedanken von sich weist, ihn abstreift, kommen Engel und dienen ihm.

Was müssten Sie hinter sich lassen, dass sie das Gefühl haben, dass Engel ihnen dienen?

STILLE

Jesus lässt die Versuchungen hinter sich, er ist gestärkt. Er beginnt sein Heilswerk mit Predigen und Heilen.

Am Ende haben die Versuchungen der Wüste aber einen Widerhall am Kreuz Jesu. Die Spötter stehen unter dem Kreuz und schmähen Jesus: Erkennen Sie etwas von den Versuchungen wieder? Die Spötter rufen:

„Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.“

Manchmal brauchen wir Engel schon zum Überwinden, dass wir nicht auch dort stehen und spotten.

Manchmal brauchen wir Mut gegen unsere Ungeduld.

Manchmal brauchen wir Gottes Geist, dass wir vertrauen lernen.

Wir lassen uns dazu ermutigen mit einem Lied: Lied: +EG 116, 1-3 Dieses Kreuz vor dem wir stehen