Passionsandacht vom 24.02.2021 zum Nachlesen und Anhören

Hier können Sie die Andacht mit Pfrin. Fuhrhans, Pfr. Jansen, sowie den Musikern Juergen Bonn (Orgel), Felix Krämer (Cello) und Ina Biesewig (Flöte) anhören.

Eingangsliturgie
Gedanken zu Ablehnung und Weisheit des Kreuzes
Ausgangsliturgie

Hier können Sie die Gedanken von Pfr. Till Jansen zu Ablehnung und Weisheit des Kreuzes nachlesen:

„Kreuzweise“ 

Dieser Ausdruck ist uns geläufig in einer derben Redeweise, die etwas oder vielmehr jemanden beleidigend zurückweist. „Du kannst mich mal kreuzweise“ – eine Redewendung, die eine noch derbere Ausdrucksweise sogar noch vermeidet, weil sonst folgen würde: … „am Arsch lecken“. So sagt es mir jedenfalls das Wörterbuch. 

Wer so spricht, ist wohl eher wenig bereit, auf den anderen zuzugehen, vielmehr ist das: Gesprächsabbruch,  Kontaktabbruch, Herabwürdigung. 

KreuzWeise, so geschrieben wie auf unserem Plakat, meint natürlich etwas anderes. Etwas ist kreuz-weise so, wie jemand altersweise sein kann. Die Weisheit Gottes, die sich am Kreuz zeigt, um die Weisheit der Welt zunichte zu machen, die Weisheit Gottes, die dem Glaubenden zur Kraft Gottes werden kann. 

Kreuzweise und KreuzWeise: Ein ziemlich krasser Gegensatz in der Tat, aber mit genau diesem Gegensatz setzt sich Paulus in seinem Brief an die Korinther auseinander. Dass die Christen das Kreuz zu ihrem Symbol, zum Mittelpunkt ihres Glaubens gemacht haben, ist für andere vollkommen unverständlich und ärgerlich. 

Die einen fragen unter dem Kreuz nach Zeichen: „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben.“

Aber er steigt nicht herab vom Kreuz. Er bleibt und wird verlassen, und stirbt. 

Andere fragen nach Weisheit, aber Jesu Lehre ist doch allzu seltsam: „Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.“ 

Oder solch ein Satz: „Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten.“

Wohin soll das führen? Welche Logik steht hinter einem solchen Gerechtigkeitsbegriff? Wie kann man sein Leben erhalten und doch verlieren, oder verlieren und gerade darin erhalten? 

Mit den Lehren der großen Philosophen ist das schwer zu vereinbaren. 

Beides zusammengenommen führt dann zur ältesten überlieferten Kreuzesdarstellung, die es gibt.

Eine Karikatur, eingeritzt in Rom etwa um das Jahr 200 n. Chr. Ein Esel am Kreuz mit einem Gläubigen darunter, unter betitelt mit dem griechischen Satz: Alexamenos sebete theon: Alexamenos betet seinen Gott an. 

Ein Esel am Kreuz: Wenn er Gottes Sohn ist und sich nicht in einer Wundertat rettet, muss er ein Esel sein. Wenn er weise gewesen wäre, dann wäre es gar nicht erst zur Kreuzigung gekommen. Wenn man Gottes Sohn sein will und sich dann so elendig hinrichten lässt, kann man wohl kaum eindrucksvoller widerlegt werden. 

Und Alexamenos erst: Er betet diesen falschen Propheten, diesen gescheiterten Gottessohn auch noch an! 

Das Kreuz: Ein Ärgernis und eine Torheit!

Für Alexamenos aber: Eine Kraft Gottes und Ausdruck der so ganz anderen Weisheit Gottes. 

Und für uns? 

Ist das nicht wirklich ein seltsamer, widersprüchlicher Gott, der auf der einen Seite allmächtig genannt wird, Schöpfer der Welt und Erhalter aller Dinge … und dann so ohnmächtig am Kreuz und den Menschen ausgeliefert? 

Ein Gott, voller Zweifel im Garten Gethsemane und Gottverlassen am Kreuz kurz vor dem Tod. 

Wenn wir uns Menschen so beobachten, uns selber fragen, dann werden wir doch oft feststellen müssen, dass wir eher auf Stärke setzen und eigene Kraft. 

Psychologisch ist es sinnvoll und ein Zeichen von Stärke, wenn man sagt: Hier brauche ich Hilfe. Das schaffe ich nicht allein. 

Aber gesellschaftlich verankert und anerkannt würde ich eine solche Strategie trotzdem noch nicht nennen. 

Irgendwie steckt es doch ganz schön tief in uns drin: Das muss ich selbst schaffen, es muss logisch sein oder anerkannt, man arbeitet auf konkrete Ziele hin, es muss nachweisbar sein, erfolgreich, Wachstum braucht es unbedingt, ohne das Gefühl (wenigstens) von Selbstwirksamkeit geht es nicht.  

So weit entfernt sind wir von den Spöttern eigentlich nicht, oder? Ist dieser Gott uns nicht auch manchmal fremd und unbequem, der seine ganze Macht einfach dahinfahren lässt? Und vor allem: … der unser eigenes Tun und Wollen mit dahinfahren lässt. So hören wir es in einer weiteren Liedstrophe des Liedes: Herr stärke mich, dein Leiden zu bedenken. 

 Lied: EG 91, 6 Es schlägt den Stolz … 

Das Kreuz schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder: 

Meine Weisheit lässt mich diesen Gott nicht begreifen und verstehen, mein Verdienst und meine Kraft gelten nicht vor diesem Gott. Er fordert von mir, dass ich das Gute tue um des Guten willen und nicht als mein Verdienst. Er beansprucht, dass das Gute aus seiner Kraft kommt und nicht aus meiner. 

Das kann ich gar nicht. 

Das konnten auch die Menschen damals nicht, weder Römer noch Juden oder Griechen, nicht einmal die Jünger. 

Und so geht Jesus seinen Weg zu Ende, verkündigend, heilend, mahnend, mißverstanden, ohne Aussicht darauf, dass die Menschen den aufgezeigten Weg von sich aus gehen können: Gott und die Menschen zu lieben, selbstlos, vertrauensvoll. 

Er geht seinen Weg bis ans Kreuz, in die Verlassenheit und Ohnmacht des Todes, ohne streitvollen Widerspruch, ohne Zeichen der Macht. 

Drei Tage Stille. Sie erscheinen wie ein trauriger Triumph der Weisheit der Welt. 

Am Tiefpunkt der Geschichte Gottes mit den Menschen zeigt sich aber das Leben neu, als ewiges Leben, als versöhntes und befreites Leben. 

Das Kreuz stürzt uns tief und es erhebt uns wieder. 

Es nimmt uns den Stolz des eigenen Verdienstes, aber schenkt uns Vertrauen zum Leben in Gott. 

Amen