Gottesdienst zum Pfingstsonntag

Den Gottesdienst können Sie unten lesen oder hier anhören (ab 12.00 Uhr):

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Pfr. Till Jansen, Kantor Juergen Bonn (Orgel)

Hier können Sie die Liturgie lesen:

Predigt

Liebe Gemeinde, ich lade Sie herzlich ein zu einer Textmeditation. 

Wir hören auf die Erzählung vom Pfingstwunder aus der Apostelgeschichte und gehen dieser Erzählung nach – Zwischen den Zeilen und zwischen Zeiten, mit Zwischengedanken und dem Freiraum, dass Sie sich auch ganz wegtragen lassen von einem Gedanken, der sich Ihnen einstellt. 

Wir lassen Gottes Wort nachwirken in uns, lauschen auf Echos und Widerstände, kleine Funken, die in uns im Herzen brennen. 

Wir hören und bedenken das Pfingstwunder: 

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. 

Die Jünger: an einem Ort in Jerusalem versammelt, aber für sich, abgesondert. In Jerusalem tobt das Leben, das Pfingstfest lockt Menschen aus vielen Ländern in die Stadt, die Straßen sind voll. Aber das Leben zieht an den Jüngern vorbei. Sie sitzen am Rand, angefüllt mit vielen Erlebnissen, vielen Überzeugungen, voller Glauben, voller Zweifel, mit festem Vertrauen in Jesu Auferstehung und gelähmt, verwirrt: Wie geht es weiter? 

Ein Mensch steht am Rand eines großen Platzes: Er schaut dem Leben zu: Kindern, die spielen, Einkäufer hetzen vorbei, Verliebte sitzen auf Bänken, eine alte Frau läuft mit ihrem Stock mühsam, aber tapfer vorbei, traurige, fröhliche, schicke und verwahrloste, alle ziehen an ihm vorbei. 

Er würde ihnen allen gerne sagen, wie schön die Welt ist. Er würde gern von Liebe und Schönheit reden, von der Zeit des Innehaltens und Genießens, wie man einander sehen und erkennen kann. Aber in allen guten Gefühlen für die Welt, erlebt er sich nur als Gast auf diesem Platz. Er traut den anderen nicht zu, die Schönheit und Liebe zu sehen, die überall verborgen liegt. 

Sehen Sie ihn denn überhaupt? Und wer ist er schon, dass er den anderen die Augen öffnen will? Ach, wenn sie es doch auch sehen würden. Wenn sie es doch gemeinsam sehen würden. 

2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.

Der Heilige Geist bewegt wie Wind, wie ein Sturm. Am Turm der Markuskirche kann man den Wind sehen. Bunte Bänder hängen vom Geländer herab und bewegen sich im Wind. Auch hier am Altar kann man ihn gelegentlich sehen. Bunt sind die Bänder, wie verschiedene Menschen mit ihren eigenen Farben, Einstellungen und Lebensgeschichten. Manchmal bewegt der Wind die Bänder in dieselbe Richtung: Sie schwingen gemeinsam in die eine und die andere Richtung. Manchmal wuseln sie durcheinander, manchmal verknoten sie sich. An manchem Band wird gezerrt. 

Den Wind sehen wir nicht, wissen nicht woher er kommt, wohin er geht. Wir sehen aber Bewegtes.  

Der Heilige Geist klingt wie Wind: Wie kleines, schnelles Flirren von Luft, wie ein großer, breiter Strom, der zum Meer zieht, wie eine Böe, die einem ins Gesicht schlägt, plötzlich und fest, wie sanftes Rascheln der Blätter, das die Seele streichelt. 

Wir hören den Wind als Musik. Debussy: Le Vent dans la plaine, aus Preludes

Der Heilige Geist bewegt, weil er zur Wahrheit führt. 

Er schlägt einem manchmal ins Gesicht wie eine Böe. 

Er verweht den Nebel und den Staub und schafft Klarheit. 

Er treibt uns voran und weht uns in den Rücken. 

Er treibt uns um und schafft uns Unruhe, wie flirrende schnelle Winde. 

Er facht die Funken an, die uns im Herzen brennen. 

3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. 

Die Jünger werden vom Wind des Heiligen Geistes erfasst. Den einen treibt er voran und bläst ihm in den Rücken und lässt ihn über sich hinauswachsen. Er schiebt ihn hin zu den anderen Menschen und löst ihm die Zunge. 

Dem anderen schlägt er als Böe ins Gesicht und lässt ihn sein Zweifeln und sein Vertrauen sehen, das beides in ihm herrscht und ringt. Der Geist fragt ihn nach seinem Glauben und er erschrickt.  

Dem dritten öffnet er die Sicht, gibt neue Weite vor Augen: Endlich versteht er und fühlt und glaubt, dass Gott mit Christus ins Leben vorausgegangen ist – endlich Hoffnung. 

Einem weiteren legt er sich als Rascheln der Blätter auf die Seele und tröstet: Streichelt die Angst weg und die Trauer, den Schrecken über Jesu Tod und befreit aus der Lähmung. 

Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; 9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; 10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; 11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Welche Winde haben mich schon einmal erfasst? 

5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. 7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? 8 Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? 9 Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, 10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber:

Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. 12 Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? 13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.

14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! 

Der Mensch am Platz schaut schon lange den Menschen und dem Leben zu. Er ringt mit sich und wartet, er holt Luft zu sprechen und verstummt doch. Er spürt die Sonnenstrahlen auf der Haut und die Wärme, er spürt der Zeit nach die vergeht, als wäre sie nur für ihn da. Der Wind kühlt ihm den Kopf, weht Verunsicherung fort. Er hebt sein Haupt und sieht: Einem Menschen in die Augen, der ihn wirklich sieht. Ein Lächeln und eine freundliche Übereinkunft: Es gibt Leben und Zukunft, Zusammengehörigkeit und Nähe, Vertrauen und Begegnung. Es brauchte für ihn nicht einmal ein Wort, um die Schönheit der Welt und die Liebe zu ihr zu retten. 

Pfingsten: Wir werden bewegt von Gott, zu Wahrheit, zum Leben. Amen