Gottesdienst zum 3. Advent zum Nachlesen und Anhören

Die Predigt von Lutz Geydan können Sie unten lesen oder hier den Gottesdienst anhören:

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Predigt

zum 3. Advent von Lutz Geydan, Markuskirche Kassel

Gnade sei mit euch und Friede, von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

das Kind ist da. Vor 8 Tagen etwa ist er zur Welt gekommen. Seine Eltern, Elisabeth und Zacharias, sind glücklich. Sie sind schon recht betagt und trotzdem noch Eltern geworden. Beide leben sie sehr aufgehoben in ihrer jüdischen Tradition. Sie gelten als gerecht vor Gott. Zacharias ist Priester.

Die Schwangerschaft von Elisabeth war eine außergewöhnliche Zeit. Im 6. Monat bekam sie Besuch von einer jungen Frau. Maria aus Nazareth war für 3 Monate bei ihr. Auch sie war schwanger. Mit Jesus. Ihr Mann Zacharias war in den 9 Monaten der Schwangerschaft verstummt. Er sprach nach einer Begegnung mit dem Engel Gabriel kein Wort.

Doch nach der Geburt des Jungen löste sich mit einem Male seine Anspannung. Er gab dem Kind den Namen Johannes, konnte wieder sprechen und alle waren ergriffen. Offensichtlich war Gott selbst hier am Werk.

Zacharias, erfüllt mit heiligem Geist, begann prophetisch zu reden. Er sagte:

Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Er hat sich seines Volkes angenommen und hat ihm Erlösung gebracht. Aus dem Haus seines Dieners David hat er für uns einen starken Retter hervorgehen lassen, wie er es schon vor langer Zeit durch das Wort seiner heiligen Propheten angekündigt hatte – einen, der uns aus der Gewalt unserer Feinde rettet und uns aus den Händen all derer befreit, die uns hassen. So erbarmt sich Gott ´seines Volkes und hilft uns`, wie er es unseren Vorfahren zugesagt hat. Er vergisst seinen heiligen Bund nicht; er denkt an den Eid, den er unserem Stammvater Abraham geschworen hat:

dass er uns aus den Händen unserer Feinde befreien wird und dass wir ihm unser ganzes Leben lang ohne Furcht in Heiligkeit und Gerechtigkeit in seiner Gegenwart dienen werden.

Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten genannt werden. Denn du wirst vor dem Herrn hergehen und ihm den Weg bereiten. Du wirst sein Volk zu der Erkenntnis führen, dass es durch die Vergebung seiner Sünden gerettet wird; denn unser Gott ist voll Erbarmen. Darum wird auch der helle Morgenglanz aus der Höhe zu uns kommen, um denen Licht zu bringen, die in der Finsternis und im Schatten des Todes leben, und um unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken. (Lukas 1, 67-79)

Was für ein Loblied. Da blickt ein Vater auf sein Kind und sieht die ewige Zusage Gottes an sein Volk. 

Die Zusage, die schon Abraham galt und seit Generationen Hoffnung und Grundlage ist. Er sieht, dass Gott seinen heiligen Bund nicht vergisst und einen Retter schickt.

Aber noch mehr. Zacharias prophezeit, dass sein Kind ein Prophet des Höchsten wird. Johannes wird das Volk zu Erkenntnis führen. Das Volk soll erkennen: Gottes Erbarmen ist größer als alle Sünde. Zacharias prophezeit, dass Johannes der Wegbereiter des Retters sein wird.

Prophet und Wegbereiter.

Das sind keine Kleinigkeiten, die da für ein Kind vorhergesagt werden.

Aber – Johannes entwickelt sich zu einem selbstbewussten und geistig starken Menschen. Die Erwartungen und Aufgaben erdrücken ihn nicht. Er wirkt, lebt und predigt in der Wüste. Dabei trägt er Kleider aus Kamelhaar und ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig.

Krass.

Johannes muss schon ein ganz besonderer Mensch sein. Er geht zur Verkündigung nicht in die Synagogen, nicht auf die Marktplätze, oder in Paläste. Er lebt in der Wüste, an einem kargen Ort.

Da gibt es nichts, was ablenkt oder oberflächliche Zufriedenheit erzeugt. Er begegnet dort, in der Wildnis, sich selbst.

Ob er meditiert? Oder betet? Ob er auch Gott begegnet?

Ja.

Johannes kommt dem Auftrag Gottes nach, die Menschen zur Umkehr aufzurufen.

Er entwickelt eine starke Anziehungskraft. Immer mehr Menschen kommen zu ihm in die Wüste. Sie wollen hören, was er predigt.

Dabei ist er in seiner Wortwahl klar, provokant und aufrührerisch. Er wendet sich gegen Oberflächlichkeit und Scheinheiligkeit. Er fordert dazu auf, aufrichtig und gerecht zu leben und ruft den Menschen Dinge zu wie:

„Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch auf den Gedanken gebracht, ihr könntet dem kommenden Gericht entgehen?“

Oder:

„Bringt Früchte, die zeigen, dass es euch mit der Umkehr ernst ist.“

Oder:

“Wer zwei Hemden hat, soll dem eins geben, der keines hat. Und wer etwas zu essen hat, soll es mit dem teilen, der nichts hat.”

Kompromisslos. Warum aber hören immer mehr Menschen Johannes zu? Was treibt sie zu diesem Ort und diesem Mann?

Es ist – Sehnsucht. Die Sehnsucht auf Befreiung aus Unterdrückung. Sehnsucht nach einem Glauben, der mehr ist als das Einhalten von Ritualen. Johannes Provokationen mögen schwer zu ertragen sein. Aber er ist glaubwürdig und motivierend. Es findet Kontakt und Begegnung auf Augenhöhe statt. Es entsteht Hoffnung und Mut für einen Neuanfang.

Liebe Gemeinde,

Wie würde Johannes eigentlich heute auftreten? Hätte er Grund, so fundamentale Kritik zu üben? Was sagen uns seine Worte zur Umkehr heute?

Wo würde er heute wirken und was würde er predigen? Wäre Johannes hier, in einer Kirche? Würde er versuchen, irgendwo draußen mit den Menschen zu sprechen?

Was würde er zu unseren Weihnachtsbräuchen sagen? Was zu unseren Konsumgewohnheiten? Wie würde er auf unsere Kirchen schauen?

Wie, liebe Gemeinde, würden wir einen wie ihn aufnehmen? Wie würden wir ihm begegnen?

An unseren Kirchen, so glaube ich, würde Johannes das ein oder andere hinterfragen. Wenn wir uns seine Worte zu Herzen nehmen, kommen wir von selbst auf die Fragen:

Haben wir uns zu sehr eingerichtet? Sind wir zu sehr große Institution geworden, statt lebendig auf Menschen zuzugehen? Sind wir offen für Menschen wie Johannes?

Was würde Johannes sagen, wenn er einen Paketboten begleiten würde, der die Weihnachtspakete bringt? Oder was würden wir tun, wenn wir vor der nächsten Bestellung seine Botschaft in unseren Herzen bewegen würden?

Welche Rede würde Johannes auf einem Wirtschaftsgipfel wie in Davos halten? Wie würden die Menschen aus der Upperclass dort reagieren wenn er sie auffordern würde: eines von den zwei Hemden dem zu geben, der keines hat?

Ich bin mir sicher: Johannes würde hier einiges aufwühlen und die Auseinandersetzung mit ihm wäre unbequem.

Aber – in Johannes Botschaft, in dem was er verkörpert steckt Aufbruch. Er motiviert.

Johannes hat in der Wüste nicht nur meditiert und gepredigt. Er hat auch im Jordan getauft und damit Vergebung und Umkehr symbolisiert. Das konnte er, weil die Menschen ihm vertraut haben.

Wie auch Jesus ihm vertraut hat, als er sich von ihm taufen ließ. Nach dieser Taufe begann das Wirken Jesu. Auf seinem Weg sprach er oft über den Täufer. Der Evangelist Lukas erzählt uns davon so: 

„Als die Boten des Johannes wieder gegangen waren, wandte sich Jesus an die Menge und fing an, zu ihnen über Johannes zu sprechen. „Was wolltet ihr euch eigentlich ansehen, als ihr zu ihm in die Wüste hinausgingt?,“ fragte er sie. „Ein Schilfrohr, das sich im Wind hin- und herbewegt? Nein? Was wolltet ihr denn sonst dort draußen sehen? Einen Mann in feiner Kleidung? Ihr wisst doch: Leute, die vornehme Kleider tragen und im Überfluss leben, sind in den Königspalästen zu finden. Was wolltet ihr also sehen, als ihr hinausgingt? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Ihr habt einen Propheten gesehen, und noch mehr als das. Johannes ist der, über den es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; er wird dir vorangehen und dein Wegbereiter sein.“ (Lukas 7, 24-27)

Johannes Wirken hat Jesus den Weg bereitet und ihn inspiriert. So können auch wir Johannes Botschaft als Stärkung und Hoffnung für unsere Wege nehmen.

Auch wenn es wie derzeit in der Pandemie schwer ist. Er bringt uns hellen Morgenglanz und lenkt unsere Schritte zum Herrn, zu Gott. Wir können Hoffnung haben. Auch heute.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, segne unsere Herren in Christus Jesus.

Amen