Gottesdienst am 4. Advent zum Lesen und Anhören …

… aus der Markuskirche Kassel mit Pfrin. Irmhild Ohlwein und Kantor Juergen Bonn.

Hier können Sie den Gottesdienst anhören. Weiter unten gibt es die Predigt auch zum Lesen!

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Predigt: 1Mos 18,1-2.9-15 „Drei fremde Besucher bei Abraham und Sara in Mamre“ von Pfrin. Irmhild Ohlwein

Friede sei mit Euch!

Liebe Gemeinde!

Es kommt oft ganz anders, als man denkt!
Das sagt man so, weil`s auch eine Lebensweisheit ist, und es klingt ein Seufzen mit, dass man Dinge immer wieder hinnehmen muss und Wünsche platzen, dass es aber auch unerwartet in ganz anderer Weise weitergehen kann.

Es kommt oft ganz anders. Gerade merken wir das in größtem Ausmaß durch die Corona- gefahr, die in nie dagewesener Weise in alle Länder der Erde, in die Gesellschaften und das ganz Persönliche hineingefahren ist.
Das Leben wird runtergefahren, Vertrautes geht so nicht mehr, Geplantes steht auf dem Spiel, selbst die Gottesdienste an Heiligabend.

Das ist anstrengend, störend, und kann doch in anderer Weise auch etwas Eröffnendes haben. Ganz andere Dinge werden wichtig und Erfahrungen möglich. Wir werden auf uns selbst zurückgeworfen, und aus dieser neuen Perspektive kann sich anderes einstellen.

Es kommt oft anders, als wir denken, auch in der Bibelgeschichte heute. Da geht es nicht um einen solch gefahrvollen Einbruch wie durch Corona, sondern um anderes Unerwartetes, das aber durchaus ein Licht auch auf die gegenwärtige Situation wirft.
Eine Bibelgeschichte auf dem Weg zum Weihnachtsfest, die zudem ganz anders daherkommt als die Geschichten, die uns sonst zum Weihnachtsfest begleiten, eine Geschichte, in der es um ganz andere Leute geht als die, die wir aus dem Weihnachtsgeschehen kennen.

Lesung: 1. Mose 18,1-2.9-15 (Lutherbibel 2017)

18,1 Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde.

9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch

Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt!
13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15 Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht 
, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Es kommt ganz anders, wenn Gott kommt, so wird’s hier berichtet, am helllichten Tag, ganz unerwartet, in unbekannter Gestalt, im Staub des Alltags, da wo die Lebenszelte aufgeschlagen sind, zu denen, die sich keine große Perspektive mehr geben, zu Menschen im Alter, die oft genug abseits des gesellschaftlichen Lebens stehen, gerade z.Zt. besonders isoliert werden müssen.

Hier kommt Gott zu altgewordenen Abraham und Sara.
In Gestalt dreier fremder Menschen steht Gott vor Abraham in der Mittagsglut eines Sommers, der das ganze Land so ausgetrocknet hat wie es die Körper von Abraham und Sara inzwischen auch sind.
So ausgelaugt und gezeichnet von der Realität, ist es wohl nur ein Ahnen, dass hier Wundersames, ja Göttliches geschieht.
Und Abraham öffnet sein Haus, bleibt respektvoll zurück und wartet, was sich da ereignet. Und dann wird die Ahnung wahr, der Erschienene verheißt, was nur Gott verheißen kann und vorzeiten Abraham verheißen hatte: Abraham und Sara werden Nachkommen haben, Und jetzt, im hohen Alter soll das noch beginnen, wo Abraham ca. 99 und Sara 88 sind.

Vor drei Tagen gerade erst hatte Gott wieder von dem alten Versprechen eines Kindes mit Sara gesprochen, und Abraham war vor Lachen umgefallen (1 Mose 17,17).
Nun ist es Sara, die lacht, ein bitteres Lachen, so kann man sich vorstellen. Mit einem „vermoderten“ Körper, wie es übersetzt genau heißen würde (balah), soll Sara

noch einmal ädnah – Wollust – erleben? Und auch ihr Mann Abraham ist ja alt.
Bisher war nichts mit der alten Verheißung, dass sie Eltern werden und eine reiche Nachkommenschaft haben würden, geworden; und diese Enttäuschung von Erwartungen und Glaubenshoffnung schmerzte besonders. Sogar Schuld hatte sie dafür auf sich genommen, ein Kind zu bekommen.

13 Jahre zuvor hatte Sara, deren Name „Herrin“ bedeutet, das Schicksal ihrem Namen gemäß in die Hand genommen und Abraham mit Hagar, ihrer Magd, einen Sohn zeugen lassen, einen „Leihsohn“ sozusagen. Das war nicht, was sie sich auf Gottes Verheißung hin erhofft hatte, aber besser als gar nichts.

Aber dann war sie eifersüchtig geworden und hatte Hagar mit Ismael verstoßen. Ihre Hoffnung auf einen eigenen, leiblichen Sohn war mit der Geburt Ismaels erloschen.
Und Gott hat 13 Jahre dazu geschwiegen. Eine lange Zeit. Eine zu lange Zeit, um auch nur einen Funken Hoffnung zu behalten. Im Herzen Saras blieb nur noch Asche.

Viele spüren solchen Schmerz verlorener Erwartungen, gerade auch zur Weihnachtszeit, oder sie spüren diesen schon gar nicht mehr, sind verbittert oder betäuben ihn. In diesem Jahr hat Corona manche Enttäuschung gebracht und Leiden beschert. Menschen Geliebte genommen, das Leben unter Risiko gestellt.

Auf Resignation und Stillstand, die keine großen Veränderungen mehr erwarten, trifft Gott nun bei Abraham und Sara, und es kommt Leben in die beiden.
Zunächst ganz unmittelbar: Abraham freut sich sichtlich über die Abwechslung, die der fremde Besuch in seinen Alltag bringt und erweist den drei Männern überschwängliche Gastfreundschaft, und Sara wird aktiv, kocht und backt.

Doch Leben kommt nicht allein in die Routine des Alltags. Gottes Besuch bringt Heil und Leben in die erstarrte Hoffnung von Abraham und Sara.
„Ist denn irgendetwas unmöglich für den Herrn“, hören sie. „Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben.“ (V. 9f)

Fast rangelt Gott darum mit Abraham und Sara: Warum lachst Du? Ich lache doch nicht! Doch du hast gelacht! Bitterkeit, Furcht, Unglaube, vielleicht auch Zynismus bewegen Saras und Abrahams Herz. Da braucht man sich nichts vorzumachen, das braucht niemand zu verstecken. Es ist Gottes, dass ihm nichts unmöglich ist. Das wird der Erfahrung der beiden alten Menschen entgegengestellt. Und das ist das letzte Wort, bevor die drei Fremden, in denen Gott erschienen war, gehen.

Beeindruckt, irritiert, verstummt werden Sara und Abraham dagestanden haben, allein mit dem wiederholten Versprechen, dass Gott bei seiner Verheißung bleibt.
Eine Weile mussten sie noch warten, aber dann bringt Sara tatsächlich einen Sohn zur Welt. Jitzchak oder Isaak heißt dieser, was bedeutet „er lachte“. Isaak wird das Lachen seiner beiden alten Eltern nicht allein in seinem Namen tragen, sondern er wird er ein neues Lachen in Saras und Abrahams Leben bringen, ein befreites Lachen, das Lachen derer, die von ihren Zweifeln erlöst sind und erfahren haben, dass Gott Wort hält und Großes an ihnen getan hat (vgl. Ps 126,2f).

Es kommt oft anders, als wir uns etwas vorstellen, es kommt oft anders auch mit Gott. Unerwartet, unerkannt kann er kommen, selbst an den Rand der Wüste.

Kann sein, es rangelt dann innerlich in uns, es werden Zynismus und Unglaube laut. Gott entgegnet dem sein Versprechen: „Ist denn irgendetwas unmöglich für den Herrn?“. Ihr werdet es sehen übers Jahr.

Friede sei mit Euch! Amen

Pfarrerin Irmhild Ohlwein