Gottesdienst am Altjahresabend zum Anhören und Nachlesen

Hier können Sie den Gottesdienst vom 31.12.2020 mit Pfrin. Petra Fuhrhans und Kantor Juergen Bonn anhören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Wir wünschen Ihnen und euch allen einen guten Rutsch und ein gesegnetes neues Jahr!!!


Herr, gib, dass wir recht reden und hören. Amen.

DIE WOLKEN- UND FEUERSÄULE – 2. MOSE 13, 20 -22
20 So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste. 21 Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. 22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

Liebe Gemeinde,

„das wird jetzt ein bisschen langweilig“, dachte ich bei mir, als ich den für heute vorgeschlagenen Predigttext das erste Mal gelesen habe.

Wen interessiert schon Sukkot, einen Ort am Nildelta, oder Etam, einen Ort am Rande der Wüste, oder wen interessiert der Anfang einer Wanderung von Nomaden durch die Wüste, die am Ende mehr als 40 Jahre gedauert und die vor mehreren tausend Jahren stattgefunden hat?

Und in welcher Verbindung kann das zum Jahr 2020 stehen?

Wir kennen die Orte nicht, wir sind keine Nomaden und wir wandern nicht durch die Wüste. Was also hat dieser Text mit uns zu tun?

Ich würde mal behaupten, mehr als wir denken. Aber, um das zu begründen, möchte ich mit Ihnen das vergehende Jahr genauer betrachten.

Zu Beginn schien es ein Jahr wie jedes andere zu werden. Für mich das dritte Jahr hier in der Gemeinde, für meinen Mann das zwanzigste in seiner Praxis, für die Kinder ein neues Jahr an der Uni und in der Schule; ein Jahr ohne größere Besonderheiten; von anstehenden Examina mal abgesehen.

Ein Jahr wie viele andere hätte es werden können, wenn da nicht die besorgniserregenden Nachrichten aus China gewesen wären. Aber auch die konnte man Anfang des Jahres noch leicht abtun. „Wuhan ist ja weit genug weg und vielleicht ist im Frühjahr der ganze Spuk ohnehin schon wieder vorbei. Wie eine Grippewelle, die verebbt, wenn der Sommer kommt.“ So dachten am Anfang viele Menschen.

Als meine Freundin in England im Februar ihre Hochzeit von Mai auf März vorverlegte, dachte ich noch, „Was soll das denn jetzt?“ Alles musste auf einmal ganz schnell gehen. Ich fand das primär stressig … „Der Mai in England ist sicher schöner als der März.“ Dachte ich und als ich auf dem Flughafen Menschen mit Mundschutz sah, habe ich mich schon noch ein bisschen darüber lustig gemacht. Inzwischen ist mir das Lachen, was das angeht, gründlich vergangen.

Eine Woche später wurde unser aller Leben völlig auf den Kopf gestellt.

Mitte März, der erste Lockdown. Vieles, was für uns gänzlich unvorstellbar war, geschah: die Schließung von Kitas und Schulen, Universitäten und öffentlichen Einrichtungen, von Geschäften und Dienstleistungsbetrieben, und dann die vielen Reglementierungen im privaten Bereich, Begegnungsbegrenzung, Reise- und Beherbergungsverbote und vieles andere mehr.

Und dann die ganzen Konventionen, die auf den Kopf gestellt wurden: Jemandem die Hand geben, jemanden den Vortritt lassen oder gar den Mantel abnehmen, all das durfte nicht mehr sein und wurde plötzlich argwöhnisch betrachtet. Wie überhaupt vieles argwöhnisch betrachtet wurde.

Das Verbot von Gottesdiensten traf uns als Kirche hart. Wer hätte gedacht, dass in diesem Land einmal die Gottesdienste verboten werden? Ich jedenfalls nicht.

Aber es kam noch schlimmer. Nach Lockerungen und zunehmenden Freiheiten, kam dann eine neue Welle und erneute Einschränkungen. Dieses Mal gab es kein Verbot von Gottesdiensten, wohl aber die Überlegungen freiwillig darauf zu verzichten. … Das war eine große Herausforderung, denn plötzlich gab es Druck von allen Seiten und Anfeindungen, Kritik, Vorwürfe. Wer noch Gottesdienste feierte, musste sich rechtfertigen. Das war schon ziemlich verdreht und widersprüchlich. Und überhaupt; eigentlich hoffte man immer, dass viele Menschen zu Gottesdiensten kommen und mit einem Mal bangte man, dass es ja nicht zu viele werden.

Wo der Staat hinsteuert, das kann ich einigermaßen nachvollziehen.

Wo die Kirche hinsteuert, das weiß ich im Moment nicht wirklich.

Eines aber ist klar. Wir werden in Frage gestellt; von innen und von außen.

Wo stehen wir? Was sagen wir? Was tun wir?

Verstehen wir uns als Teil der Gesellschaft oder eher als ihr Gegenüber?

Halten wir uns für systemrelevant oder ist das gar nicht unsere Frage?

Wen wollen und wen können wir wie erreichen?

Welche Botschaft haben wir? Im Moment und überhaupt?

Was haben wir den Menschen in diesem Jahr zu sagen?

Was werden wir im nächsten Jahr sagen; falls uns dann noch jemand zuhört?

Dieses Jahr ist eine große Herausforderung für uns. Hier werden sich die Geister scheiden, und welche Auswirkungen das hat, ist noch lange nicht abzusehen.

Und, wenn wir schon nicht wissen, wo wir hingehören, wo steht dann unser Gott? – Es ist nicht ungefährlich, die Gottesfrage angesichts der Pandemie aufzuwerfen und doch steht sie seid geraumer Zeit im Raum. Unsere Bischöfin selbst hat sie aufgebracht, um sie dann auch gleich zu beantworten und das in aller Deutlichkeit.

Nein, die Pandemie ist keine Strafe Gottes. – Das würde ich selbstverständlich auch unterschreiben. – Wer sollte denn da warum, weshalb und wie bestraft werden? Das macht einfach keinen Sinn.

Alle diese Ansätze einer Erklärung, die es zweifelsohne gibt, halte ich für konstruiert und falsch. Das wäre, so pauschal gesehen, unglaublich ungerecht, denn die Pandemie trifft ja alle; die großen und die kleinen.

Ich glaube allerdings auch nicht, dass Gott hier überhaupt nicht vorkommt.

Das hieße nämlich Gott wäre abwesend, gerade eben weggegangen und habe die Menschen alleingelassen? Das ist für mich wirklich schwer vorstellbar und widerspricht allem, was wir von unserem Gott wissen und erzählen.

Es gibt ja diese Tendenz zu sagen, dass Gott immer nur das Gute will und, dass die Menschen verantwortlich sind für das Böse in der Welt. Aber das ist viel zu einfach und kurz gedacht. Ich glaube, damit ist es nicht getan.

Eine dritte Möglichkeit gibt es natürlich auch noch. Die, dass Gott machtlos ist und nichts tun kann, dass er also weder die Verantwortung trägt noch etwas ändern kann. Das hieße, dass Gott ein Zuschauer geworden ist in seiner eigenen Schöpfung.

Das ist ein interessanter, aber auch erschreckender Gedanke. Wir müssten uns dann verabschieden von der Vorstellung, dass Gott allmächtig ist und die Kontrolle über seine Welt hat. – So klang es ja auch schon bei dem EKD Ratsvorsitzenden Bedfort-Strom an und so klingt es an vielen Stellen an. Es scheint als traue niemand Gott mehr etwas zu.

Mir ist das alles zu kurz gedacht und zu menschlich, zu klein von Gott gedacht. Ich glaube, wir können von Gott gar nicht groß genug denken.

Ich glaube, unser Predigttext und sein Kontext geben eine Antwort auf diese Frage. 20 So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste. 21 Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. 22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

Gott zieht vor den Israeliten her; bei Tag in einer Wolkensäule, bei Nacht in einer Feuersäule. Keinen Moment lässt er sie allein, und, wenn man auf den Kontext schaut, der hier nicht zitiert wird, erfährt man, dass er sie kurz davor vor Kriegswirren im Land der Philister beschützt hat und kurz danach das Schilfmeer teilt, damit sie trockenen Fußes hindurchgehen können und ihre Verfolger verderben.

So hat Gott sein Volk damals geführt, geleitet und bewahrt, und so führt er noch immer; leider nicht mehr ganz so direkt in einer Wolken- oder Feuersäule, aber dennoch bei Tag bzw. im Licht, um uns den Weg zu weisen und bei Nacht bzw. in Schwierigkeiten, damit wir auch im Dunkeln nicht stehen bleiben müssen und verzweifeln, sondern weiter vorankommen.

„Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst!“, lautet seine Botschaft im Dunkeln und im Licht. Ich bin bei euch und leite euch, denn ich weiß, wo es langgeht.

Das Kind in der Krippe sagt uns: „Habt keine Angst vor dem Leben! Ich teile es mit dir.“

Und der Auferstandene Christus sagt uns: „Habt keine Angst vor dem Tod! Ich habe ihn überwunden.“

Vielleicht ist das eine unsere Wolkensäule und das andere unsere Feuersäule, unsere Leitung im Hellen und im Dunkeln. – Ich denke, es lohnt sich durchaus einmal darüber nachzudenken. –

In jedem Fall aber gilt: Gott ist da und er will, dass wir zu ihm schauen, dass wir auf ihn schauen. Er will, dass wir aufhören wie gebannt auf die Menschen zu sehen, seien es nun die Politiker oder die Kirchenoberen.

Ich sage jetzt nicht, dass wir uns nicht an die geltenden Regel halten müssen oder dass wir keine Rücksicht nehmen müssten. Ich sage auch nicht, dass wir uns nicht um unsere Mitmenschen kümmern müssen. All das sollen wir selbstverständlich tun. Das steht außer Frage.

Ich sage nur, dass wir aufhören müssen, uns nur an Menschen zu orientieren. Wenn Kirche in ihren Entscheidungen nur noch die Vernunft und nicht mehr Gott als Maßstab, dann ist da etwas falsch.

Wenn Gottesdienste nur noch für die Menschen da sind und nicht mehr auch für Gott, dem wir dienen und der uns dient, dann haben wir da einen ganz wichtigen Aspekt außer Acht gelassen. (Was ich für problematisch halte.)

Liebe Gemeinde,

ich möchte Sie einladen, wieder mehr auf ihn zu schauen, und ich bin sicher, dass wir dann unseren Weg finden und das Richtige tun werden.

Vertrauen wir uns ihm an und gehen wir von ihm begleitet in das neue Jahr, was auch immer es bringen wird.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Hier finden Sie die Liturgie zum Nachlesen.