Predigtreihe WunschGemeinde – „Dekonstruktion“

Hier können Sie Ausschnitte aus dem ersten Gottesdienst unserer Predigtreihe „WunschGemeinde“, gehalten von Prädikant Lutz Geydan am 15. Oktober 2023, nachlesen:

Ein Gottesdienst der Predigtreihe WunschGemeinde mit dem Titel „Dekonstruktion“.

Einführung:

Heute hat der Gottesdienst, die Überschrift Dekonstruktion. Möglicherweise haben das Wort noch nicht alle gehört. Ich hab darum zwei kurze Erläuterungen hier auf diesem Blatt (siehe unten). Da ist einmal der Begriff Dekonstruktion beschrieben und dann der Begriff christliche Dekonstruktion. Ich wollte das einfach mitgeben, damit einige Neugierige schon draufschauen können im Gottesdienst oder aber zu Hause in Ruhe.

Der Hinweis ist aber wichtig: die Antworten, die hier stehen hat Chat-GPT gegeben. Eine künstliche Intelligenz, ein Bot, wo man Fragen stellen kann. Ein Bot, eine KI, mit der inzwischen ganze Drehbücher überarbeitet werden können. Eine KI, über die immer mehr geredet wird, in den letzten Monaten und die in Zukunft unser Leben beeinflussen wird. Sicher kennen mindestens einige Konfirmandinnen und Konfirmanden diesen Bot inzwischen, arbeiten in der Schule auch schon damit.

Ich bin nicht der erste, der den Bord nutzt, um sich mit dem Thema christliche Dekonstruktion zu befassen. Ich habe zuerst gesehen, dass die Antworten sehr lang, ausführlich und im übrigen auch gut waren. Aber sie waren zu lang, um sie hier im Gottesdienst zu verteilen. Dann habe ich die KI gebeten: „schreib mir doch eine kurze WhatsApp zu diesem Thema“. Eine kurze WhatsApp, oder eine Nachricht in Signal. Das Ergebnis sehen sie. ChatGPT hat die WhatsApp druckreif geschrieben.

Natürlich, selbstverständlich sind solche Antworten mit Vorsicht zu genießen. Selbstverständlich birgt die Nutzung von K.I. auch Risiken. K. I. Ist eine große Veränderung, die in unser Leben eintritt. Eine Dekonstruktion?

Sie können sich sicher sein, liebe Gemeinde, diese beiden Nachrichten sind die einzigen Texte, die in diesem Gottesdienst von einer KI geschrieben worden sind. Der ganze Rest entspringt meinen Gedanken, mein Herzen und dem, dass Gott mir mitgegeben hat.

Hier der ausgegebene Zettel:

Predigt:

Gott, gib uns deinen heiligen Geist, damit wir dich hören und verstehen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

kennt ihr, kennen Sie noch Kodak? Fotografiert jemand noch mit einer alten Spiegelreflex? Legt jemand noch Filme ein?

Kodak wurde um 1900 herum gegründet. Ziemlich schnell wurde aus der Marke eine Erfolgsstory. Einfache Arbeiterinnen und Arbeiter konnten sich Fotoapparate und Filme leisten. Bis in die siebziger/Achtzigerjahre hinein, hatte Kodak weltweit mehr als 100.000 Beschäftigte. In den siebziger Jahren war es ein Mitarbeiter von Kodak, der eine digitale Kamera – damals noch viele, viele Kilo schwer erfunden hat und ein oder vielleicht auch ein paar mehr produziert hat. Aber, man entschied sich dagegen, diese Kamera auf den Markt zu bringen. Man wollte das eigene Geschäft nicht gefährden. Das Ergebnis ist bekannt. Ca. 20 Jahre später eroberten digitale Kameras den Markt, Kodak wurde zusehends kleiner, bis man schließlich Insolvenz angemeldet hat.

Inzwischen produziert Kodak digitale Druckmaschinen. Trotzdem, 100.000 Beschäftigte haben ihre Arbeit verloren. Familien, Generationen waren bei Kodak beschäftigt und wie man so sagt, in Lohn und Brot.

Was passiert war, ist klar. Der Konzern war nicht bereit, das eigene Modell infrage zu stellen. Man setzte auf Sicherheit, auf vorgebliche Sicherheit, hat sich nicht verändert und den Anschluss verloren.

Im Kapitalismus nennt sich das nach dem österreichischen Ökonom Joseph Schumpeter „Schöpferische Zerstörung.“ Oder, relativ modern: Disruption, ein disruptives Geschäftsmodell.

Unternehmen, Konzerne, Betriebe, auch Institutionen, müssen ihr eigenes Modell immer wieder neu überdenken. Sie müssen es letztlich völlig erneuern, um weiter präsent zu sein, um weiter da zu sein.

Wir kennen das auch aus anderen Bereichen. Beim Einkaufen zum Beispiel. Beim Bezahlen mit Karten. Oder beim Musikhören. Schallplatten, CDs, inzwischen hören die meisten, die allermeisten ihre Musik über ihre Smartphones, die Musik ist in der Cloud gespeichert. Und ja, ich weiß – es gibt immer noch einen Markt, auch für die alten, die guten alten Schallplatten. Hier oben an der Fünffenster-Straße, kleiner Tipp, ist ein richtig guter Laden. Aber das sind Nischen. Die Unternehmen, die Betriebe oder die Arbeitnehmer die in diesem Bereich unterwegs sind, mussten sich verändern.

Veränderung, schöpferische Zerstörung. Neue Ideen ersetzen erfolgreich alte Modelle. Übrigens nicht erst seit 100 Jahren. Schon immer.

Gilt das auch für Institutionen? Gilt das auch für Kirche? Ja. Selbstverständlich muss und wird auch Kirche sich verändern.

Was ist hierbei nun der Begriff Dekonstruktion? Zunächst mal ist das eine Methode. Es geht darum, Hierarchien und Konzepte zu hinterfragen. Dekonstruktion – nach dem Philosophen Jacques Derrida – will festgefahrene Denkmuster lösen und neue Perspektiven eröffnen.

Das will christliche Dekonstruktion auch. Auch hier geht es darum, Traditionelles und Hierarchien zu hinterfragen. Christliche Dekonstruktion kann Raum für neue und alternative Perspektiven schaffen. Es geht nicht darum, etwas mutwillig zu zerstören. Es geht um einen offenen Weg mit immer neuer, stetiger Auseinandersetzung. Mit dem Ansatz von Dekonstruktion ist verbunden, dass unsere Texte, Lieder und Erzählungen schon immer mit unserem eigenen Erleben und unserer Kultur verbunden sind. Und das ändert sich. Von Generation zu Generation, stetig.

In den Ideen, die für die WunschGemeinde eingegangen sind, stand auch das Wort Tradition. Viele wollen, dass wir Traditionen erhalten. Ich will das auch. Ich glaube, dass wir Traditionen nur erhalten können, wenn wir uns immer wieder auch erneuern.

In diesem Sinne ist Dekonstruktion für mich vergleichbar mit einem Umzug. Mit einem Umzug in eine neue Wohnung. Unsere Umgebung ändert sich. Vielleicht haben wir lange dort gewohnt. Waren mit der Wohnung, mit der Umgebung, mit der Straße verwachsen. Und dann geht es in etwas Neues. Wir nehmen Möbel mit, schaffen uns neue an und leben in einer neuen Umgebung. Aber wir nehmen noch etwas mit. Nicht nur unsere Möbel. Unser Leben, unser Fundament, unseren Glauben. Darauf können wir aufbauen, wenn wir uns in eine neue Umgebung wagen.

Nicht jede Veränderung ist freiwillig. Krankheit, Flucht, Gewalt, Krieg, Trennung, beruflicher Wechsel und mehr. Das alles führt zu einer Veränderung, zu einer Dekonstruktion.

Stellen wir uns ein altes, sehr schönes Haus vor. Das Licht fällt durch die Fenster, vielleicht sitzt gerade eine Familie da drin am Tee und Kaffeetisch. Es ist Besuch da. Nachbarn, Familie. Die Kinder jagen durch die Küche, die Erwachsenen schwatzen zusammen. Das Haus altert mit den Jahren, wird dann auch noch durch einen Sturm schwer beschädigt. Wir haben darin gelebt, gebetet, wir sind uns begegnet.

Auf dem Fundament dieses Hauses können wir etwas Neues bauen, oder es grundlegend sanieren. Die Räume sind danach neu, vieles erinnert noch an das alte, der Geist Gottes, die Gebete, die haben dieses Haus überlebt und werden auch das nächste überleben.

Stellen wir uns vor, dieses Haus ist unsere Kirche, unsere Gemeinde. Wir nehmen all das mit, was in den Ideen für die WunschGemeinde steht.

Glaube erlebbar machen, biblische Impulse setzen, Raum für Begegnung, Kultur, Generationen zusammenbringen, Stille, Geborgenheit und Gemeinschaft, Gottesdienst, Offenheit, Jugendarbeit, Spiritualität, moderne Kirchenlieder und mehr.

Hier ist so vieles, was mich anspricht. Wie schön ist es, Raum für Begegnung zu schaffen. Begegnungen sind so heilsam und bereichernd. Wie wichtig ist Spiritualität, Jugendarbeit oder Gemeinschaft.

Diese Ideen sind nicht neu. Möglicherweise gibt es eine andere Gewichtung. Der Wunsch nach Stille und Spiritualität wäre vielleicht vor längerer Zeit nicht so aufgetaucht.

Aber liebe Gemeinde,

passt denn unser Haus für die Wünsche und Ideen, die da sind. Sind die Gemeinden hier in Kassel so, dass wir uns unsere Wünsche erfüllen können? Oder größer gefragt: ist unsere Kirche, sind unsere Gemeinden so, dass wir auch die erreichen, die uns nicht geantwortet haben? Also die, die sich nicht für uns interessieren oder sogar abgewandt haben? Oder müssen wir umbauen, dekonstruieren?

Ist unser Haus so gebaut, dass wir die Wahrheit Jesu suchen können?

Liebe Brüder und Schwestern, es braucht Veränderung. Wenn in unserem Haus die Botschaft des Evangeliums wieder wirksamer verkündet werden soll, dann müssen wir uns ändern, spürbar. Dann werden wir alte Möbel hinter uns lassen, ohne genau zu wissen, was wir an Neuen bekommen werden.

Liebe Gemeinde, Veränderung, Zweifel, letztlich Dekonstruktion. Das kann nicht nur die Institution betreffen. Das kann auch etwas sehr Persönliches sein. Es sind einige, die sich so oder anders irgendwann eingestehen, dass sie ihren früheren Glaubensweg nicht mehr fortsetzen können oder wollen.

Oft verabschieden sie sich dann ganz still und leise aus der Kirche. Oft ist das ein schmerzhafter Prozess. Menschen verabschieden sich aus einer Prägung. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat pro Monat – immer mehr.

Erst sind es einzelne, dann sind es Familien, Nachbarschaften usw. sie suchen sich etwas anderes. Vielleicht eine andere Form der Spiritualität. Vielleicht eine andere Möglichkeit, ein gelingendes Leben zu führen. Vielleicht führt ihr Weg auch in eine Art Oberflächlichkeit. Vielleicht war Ihnen Kirche zu hierarchisch, zu eng und wenig lebensnah. Vielleicht stellen sie sich eine andere Art von Gemeinschaft vor. Aber: vielleicht, vielleicht, vielleicht – warum suchen sich viele etwas Neues?

Kirche, Gemeinde muss offener werden. Die Antworten, die wir bekommen haben, die leiten uns. Sie leiten uns auch zu denen, die nicht geantwortet haben.

Liebe Schwestern und Brüder, offener werden, meint auf keinen Fall beliebig werden.

Wir, Gemeinden und Kirche, wir sind dekonstruierbar. Das Reich Gottes ist es nicht. Und das ist unser Inneres. Die Liebe Jesu, seine Sehnsucht nach Gerechtigkeit, der Geist Gottes. Das bietet uns eine Heimat, auch im Ungewissen.

Sowie Abram. So wie wir es in der Lesung gehört haben. Abram ist mit 75 Jahren in ein neues Leben aufgebrochen. Er hat alles zurückgelassen. Es sei dahingestellt, wie diese Erzählung entstanden ist. Sie ist wunderschön und so reich an Lebenserfahrungen. Die Bibel ist voll von diesen Erzählungen. Unser Leben ist voll von Veränderung. Blicken wir zurück, dann wissen wir, welche Täler durchschritten und welche Berge wir bestiegen haben.

Es wird Begegnung, Gemeinschaft und Geborgenheit, neue Kirchenlieder und alles andere geben. Das Haus wird sich verändern, mit uns.

Jesus sagt: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen