Hier können Sie die Predigt von Pfr. Till Jansen vom 27. August 2023 nachlesen:
Liebe Gemeinde,
Sie sind und ihr seid das Salz der Erde. Sie sind und ihr seid das Licht der Welt. Wer hört das nicht gern? Das Salz der Erde: der Welt guten Geschmack geben, sie haltbar machen, selbst kostbar sein. Salz wird mit Mühe gewonnen, aus dem Berg gegraben, in Pfannensalinen heraus kristallisiert, lange getrocknet. Ohne Salz wird das Essen schnell fad und langweilig. … Andererseits: Man kann auch Salz in eine Wunde streuen. „Versalzen Sie nicht ihr Leben“ – diesen mahnenden Fernsehspot gab es mal.
Aber das Licht der Welt zu sein, das ist doch was: das Licht der ganzen Welt! Als Licht der Welt gibt man anderen Orientierung und weist den Weg, man ist leuchtendes Vorbild, bringt Licht ins Dunkel. Andererseits habe ich im Urlaub auf Amrum gelernt, dass die Amrumer in schlechten Zeiten einfach ein falsches Quermarkenfeuer gesetzt haben, so dass Schiffe gestrandet sind: Dann sind sie leichter auszurauben. Man kann auch andere Verblenden, so dass Sie eine falsche Richtung einschlagen: Da habe ich mich wohl blenden lassen.
Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.
Das kann klingen wie bei einem Motivationstrainer: Entdeck, was in dir steckt und mach was draus!
Das kann auch klingen wie eine Abgrenzung: Ihr seid das Licht, die anderen sind bloß Schatten!
Oder vielleicht wie ein dickes Lob: Ihr seid wunderbar! Jeder soll das sehen und erfahren!
Wie klingt es eigentlich bei Jesus in der Bergpredigt, wo er über das Salz der Erde und das Licht der Welt spricht?
Wir hören zunächst das Wort vom Salz:
Matthäus 5, 13-16
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Das klingt wie … eine Drohung.
Herzlichen Glückwunsch: Sie haben es geschafft. Sie haben den Job, „Salz der Erde“, sehr wichtige Position, mit viel Verantwortung und auch Ansehen – an ihrem Geschick und an ihrer Strategie hängt das Schicksal der ganzen Firma. Allerdings: Sollten Sie dem nicht gewachsen sein, sollten Sie sich als unnütz erweisen, werden wir sie wegwerfen, dann kommen sie unter die Räder, werden von den Leuten zertreten, landen auf der Straße. Hop oder Top – es liegt ganz bei Ihnen.
Wollen Sie den Job? Ich wäre mir da gar nicht so sicher …
Das klingt wenig fehlerfreundlich und es gibt irgendwie auch nicht so richtig viele Zwischentöne: Entweder das Salz salzt und tut, was es soll, oder es salzt nicht, dann kann man es auch wegschütten und es ist wertlos.
Ja: So hart ist das Leben manchmal. Es gibt die sprichwörtlichen Züge, die abgefahren sind, es gibt Dinge, bei denen man chancenlos bleibt, es gibt auch Taten, die man nicht rückgängig machen kann. Aber es bleibt die Frage, welche Konsequenz das haben muss: Ob wegwerfen und zertreten lassen die einzige Option ist?
Das würde ich Jesus gerne fragen.
Ich weiß schon, dass Jesus fordert, man soll eine andere Gerechtigkeit leben als die der Pharisäer und Schriftgelehrten, man soll die Botschaft von der Liebe Gottes und der Nächstenliebe nicht nur plakativ verkünden, sondern es auch ernst damit meinen, sie leben, sonst bleibt sie hohl und fad … eben ohne Salz. Aber mit dem, was ich da sage, habe ich doch den Weg der Liebe auch schon verlasssen: Ich werfe Pharisäer und Schriftgelehrte in einen Topf, pauschalisiere, stemple ab. Denen unterstelle ich unfruchtbare Werke der Finsternis, wie es im Epheserbrief heißt, mit ihnen soll ich nicht reden und keine Gemeinschaft pflegen, wie es der Epheserbrief empfiehlt.
Dabei ist „Salz der Welt sein“ – eigentlich ein so schönes Bild. Wenn man Salz über das Essen streut, dann ist das nur eine kleine Menge und die gemahlenen Körner so klein, dass sie schon beim Draufstreuen kaum sichtbar sind. Sie verschwinden unsichtbar im Essen, meistens jedenfalls. Und doch haben sie eine kraftvolle Wirkung. Salz muss man auch dosieren, sonst ist das Essen auch schnell hin – versalzen. Wenn man das auf das christliche Handeln und Reden überträgt, dann sind es Worte und Taten, die nicht riesig und plakativ sein müssen, auch keine enormen Kraftanstrengungen und weltbewegend sein. Sie sind eher wohldosierte kleine Akzente, die nicht sofort in der Zeitung stehen, die nicht herausragen und sich in den Vordergrund drängen, die aber einen Unterschied machen. Salz der Erde ist nicht weltrettender Superheld, sondern kleine Zutat, die etwas wichtiges und kostbares beiträgt im Zusammenspiel mit den anderen Dingen und Notwendigkeiten, die da sind. Roh ist Salz nicht genießbar und auch nicht gesund.
Das mutet Jesus uns zu. Und wer würde das nicht wollen?
Jesu Wort vom Salz führt das positive am „Salz sein“ gar nicht aus. Er fragt: Und wenn das nicht mehr geschieht, so gar nicht mehr? Ja, muss ich zugeben: Dann fehlt etwas entscheidendes.
Dennoch regt sich bei mir Widerstand, wenn es heißt, dass das Salz weggeschüttet und zertreten wird. Manchmal ist man, um im Bild zu bleiben, selber das Gericht und braucht das Salz von anderen. Man kann nicht immer der Salzstreuer sein, oder?
An etwas konkretem festgemacht: Wenn man ein christliches Krankenhaus betreibt, sich aber bei der Konzeption der Klinik ausschließlich an der Wirtschaftlichkeit ausrichtet, dann müsste man sich fragen, warum das ein christliches Haus ist. Es braucht gute Medizin und Pflege, es braucht auch Wirtschaftlichkeit und Effizienz, es braucht aber auch die Extraminute mehr im Gespräch, Seelsorge, Nächstenliebe, Freiraum für geistliche Begleitung, Strukturen, die ein wertschätzendes und gerechtes miteinander Arbeiten möglich machen. Das im Blick zu haben und zu versuchen, es zu leben, ist verlangt. Dass es nicht immer gelingt, ist eine andere Sache.
Vom kleinen Salz zum großen Licht, zum Licht der Welt.
Wie klingt das bei Jesus? Wir hören noch einmal auf die Bergpredigt und auf zwei kleine Gedanken dazu:
Matthäus 5, 13-16
14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. 15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. 16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Liebe Gemeinde,
ich finde, das klingt zunächst sehr groß – vielleicht sogar großspurig. Und dann wird es immer bescheidener und kleiner, und bleibt irgendwie trotzdem groß.
Zuerst ist es das Licht der Welt – hell wie die Sonne, planetenumstrahlend. Die Gemeinde als welterhellende gleißende Größe. Dann ist es die Stadt auf dem Berg, die man in einer Region sehen kann – Orientierungspunkt und leuchtendes Vorbild. Und in einem dritten Schritt ist es nur noch ein Leuchter im Haus, ein Licht, das den Menschen in direkter Nähe leuchtet.
Und doch bleibt es groß: So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Die Maßstäbe, wie groß dieses Licht ist, scheinen gar nicht so wichtig zu sein. Jesus kannte natürlich auch keine LED-Bühnenstrahler mit 1000 Watt. Licht ist geschenktes Licht der Sonne oder eine Kerze, eine Laterne, die warmes Licht in der Dunkelheit spendet, Orientierung und Sicherheit gibt.
Das ist das wichtige: Licht schenkt Leben, Wärme, Orientierung, Sicherheit. Dass das Licht, egal wie hell und umfangreich, auf seine Weise groß bleibt, liegt vielleicht an dieser Wirkung. Die guten Werke lösen bei den Leuten nicht das Preisen der Christen in der Welt aus, sondern das Preisen Gottes.
Licht der Welt zu sein bedeutet nicht unbedingt, dass man selber strahlt und dafür gesehen und bewundert wird, wie die Stadt auf dem Berge. Die guten Werke machen nicht in erster Linie den Wohltäter hell, sondern die Welt.
Dazu schenke Gott Kraft und Weisheit, dass dies uns ohne Verblendung gelingt: die Welt zu einem helleren Ort zu machen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen