Predigt Okuli

Gottesdienst am Sonntag Okuli

Markuskirche am 15. März 2020 um 10:00 Uhr

Herr, gib, dass wir recht reden und hören. Amen.

Als Predigttext lese ich Lukas 9, 57 – 62

Vom Ernst der Nachfolge

57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst.

58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.

60 Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind.

62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unseren Wegen.

Amen

Liebe Gemeinde,

harte Worte sind das, die Jesus hier spricht. Es ist in Text, den man lieber umgeht. Auch ich habe ein wenig überlegt, ob ich einen anderen, netteren Text wählen sollte. Vielleicht sollte ich lieber etwas Aufbauendes wählen, etwas Mutmachendes. Gerade in dieser Zeit könnten wir das alle gut brauchen.

In all meinen Überlegungen bin ich aber immer wieder zu diesem Text zurückgekehrt. Er fordert uns, gerade in seiner Deutlichkeit, heraus.

Die Nachfolge Jesu ist kein Spaziergang und, so hart es klingt, nicht jeder ist dafür geeignet.

Es ist eine Entscheidung, bei der man Dinge sein lässt. Es ist eine Entscheidung, die das Leben grundlegend verändert. Ich bin Christ*in oder ich bin es nicht; dazwischen gibt es nichts. Ein bisschen Christsein ist so wie ein bisschen schwanger; das geht auch nicht.

Ich weiß: Wir sehen das nicht gerne so. Oft hätten wir gerne ein bisschen von allem: Christentum, Buddhismus, Islam, …; wie es gerade passt; am liebsten gar die Sahnestücke von allem.

Und dann dieses ständige Umschauen, dieses dem Alten Nachtrauern. – Beim Pflügen ist es übrigens wirklich so, dass man sich nicht umdrehen sollte, denn die Furchen werden entsetzlich schief, wenn man es tut. – Ich weiß das, denn ich komme aus der Landwirtschaft und kenne mich mit dem Pflügen aus.-

Liebe Gemeinde,

Raus aus der Comfortzone! Wer Jesus nachfolgen will, wird es nicht sehr gemütlich haben und er lässt vieles hinter sich. Oft ist nicht einmal Zeit zum Abschiednehmen oder zum Sortieren seiner Angelegenheiten. – So war es jedenfalls damals.- Wer Jesus nachfolgen will, muss immer wieder auch klar Stellung beziehen und er muss auf einiges verzichten. -So ist das noch heute.-

Raus aus der Comfortzone! Jesu nachzufolgen ist unbequem und ein Zurück gibt es nicht. Er, der Menschensohn, Jesus, hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen kann und die, die ihm folgen, auch nicht. – Naja, denken wir, so schlimm ist es dann doch nicht. Wir Christen hier in diesem Land haben es ja eigentlich ganz gut. Das stimmt. In anderen Länder ist das allerdings auch heute noch ganz anders. Es werden immer noch Christen verfolgt. Die Verfolgung nimmt sogar noch zu.

Raus aus der Comfortzone!  Wer Jesus nachfolgt hat nicht nur Freunde und er wird immer wieder für seinen Glauben einstehen müssen.

Wissen wir noch, was Nachfolge ist? Wissen wir noch, was es heißt, für Jesus einzustehen? Uns allein an ihm zu orientieren?

Frau B., die normalerweise hier vorne sitzt, hat vor einiger Zeit einmal im Gespräch erzählt, wie schwierig das sein kann, nach seinem Glauben gefragt zu werden und wieviel Hohn und Spott man mitunter dafür erntet.

Ich kenne das auch, aber ich habe es leichter. Mir sehen es die Leute nach. „Du bist ja Pfarrerin. Du musst ja so reden!“

Aber manchmal gehen die Gespräche auch tiefer und mein ganzer Glaube wird in Frage gestellt. Es ist ja nicht so, dass ich auf alles zufriedenstellende und logische Antworten habe. Es ist übrigens auch nicht so, dass mir meine Gesprächspartner im Gespräch recht geben. Manchmal gibt es ziemlich herbe Kritik und Vorwürfe.

Auch im Moment wird unser Glaube in Frage gestellt; nicht durch kritische Mitmenschen, sondern durch ein kleines Virus und die Angst davor.

Und plötzlich drehen wir uns nur noch um uns selbst.

  • Wie können wir uns und andere schützen?
  • Haben wir genügend Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken?
  • Haben wir für den Notfall genug zu essen?

Wir sorgen uns und die Angst treibt uns an. Und sie treibt uns so sehr um, dass einem dabei ganz schwindelig wird. Ich habe auch Angst. Ich hänge an diesem Leben, und ich habe Angst um die Menschen, die mir anvertraut sind und dazu gehören Sie alle. Ich hänge sehr an ihnen.

Dennoch, die Angst sollte uns nicht bestimmen. Sie ist und bleibt ein schlechter Ratgeber.

Wir schauen zurück. Wie war das im Dezember in China? Wie waren die Wege der Infektion? Wo kommt sie her? Wer trägt die Schuld? Wieso ist es nur so schnell hier angekommen? Wer hat da nicht aufgepasst?

Wir schauen rechts und links. Wir lesen Zeitungen, sehen Nachrichten, lesen eine Facebook-Nachricht nach der anderen, brauchen Ratschläge, Entscheidungen, Weisungen und immer wieder mal einen, der uns die Verantwortung abnimmt, was es uns leichter macht. Und doch bleibt da ein ganz mulmiges Gefühl.

Ich möchte heute unseren Blick umlenken, nach vorne auf die Zukunft und auf Jesus, dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens. Es gibt Momente, in denen bin ich überzeugt, dass er der einzige ist, der uns helfen kann. Da denke ich: Das einzige, was jetzt noch hilft, ist beten. Ich denke wir sollten das tun. Sie und ich und alle in der Gemeinde.

Wir selbst können nämlich gerade gar nichts tun; so sehr wir uns auch bemühen die Situation unter Kontrolle zu bekommen. – Ich weiß, jetzt kommt die Theologin wieder durch. Aber das ist ja auch nicht schlimm. Das ist ja meine Aufgabe. Deswegen bin ich ja nicht Naturwissenschaftlerin oder Ärztin oder Virologin. –

Ich möchte mit Ihnen nach vorne blicken auf die Zeit nach der Krise. Und das ist jetzt keine Vertröstung, das ist ein Perspektivwechsel!

Die meisten Menschen, die eine schwere Krankheit durchgemacht haben, sind nach der Krankheit dankbarer für das Leben als vor ihrer Krankheit. Und uns wird es in der Gesamtheit ähnlich gehen.

Wenn das Corona Virus einmal verschwunden ist, wird die Bevölkerung hoffentlich den ganz gewöhnlichen Alltag mehr schätzen als vorher.

Und vielleicht werden wir auch mehr Mitgefühl mit unseren Kranken und Alten empfinden. Sie sind zurzeit am meisten durch das Virus bedroht. Wir fürchten, dass wir sie verlieren könnten.

Und die Furcht ist ja nicht das schlimmste Gefühl. Sie sagt etwas über unsere Liebe. Wenn wir jemanden mögen, werden wir dann auch leiden. Gott mochte uns und litt deshalb den Tod am Kreuz.

Wenn das Virus verschwunden ist, werden die kleinen Dinge eine viel größere Bedeutung bekommen: Das Erwachen am Morgen, die persönlichen Worte eines lieben Menschen, das Lesen der Zeitung, die Blumen auf dem Tisch, die Gespräche mit dem Nachbarn, herzliche Umarmungen, gemeinsame Aktivitäten, viele Veranstaltungen und vielleicht sogar der Schulbesuch und die Arbeit.

Manches, was zuvor für uns selbstverständlich war, werden wir danach mit anderen Augen sehen, vieles als Geschenk.

Da ist reichlich viel, für das wir danken können. Man denke, wir sind Menschen, für die Jesus sterben will, um uns ein Leben in seinem Reich zu geben. Das ist so unfassbar groß und großartig, dass wir es nicht verstehen.

Bei der Corona-Epidemie wird es vielen deutlich werden, dass man mit einer Lebenslüge lebt, wenn man sich einbildet, dass man das Dasein mit eigener Hilfe beherrschen kann. Wir beherrschen das Leben nicht ohne die Hilfe von Jesus Christus. Wir können es nicht selbst.

Seitens der Kirche sollen wir angesichts des Corona Virus nicht nur dafür sorgen, dem Rat der Gesundheitsbehörden zu folgen. Nächstenliebe bedeutet auch, seine Hände zu waschen und nicht in die Kirche zu gehen, wenn man sich angesteckt fühlt. Das ist klar, und es heißt auf Liebgewonnenes wie eine Umarmung zu verzichten. Das machen wir zum Schutz von uns selbst und von anderen.

Aber wir Christen sollen und müssen noch mehr tun. Wir sollen Gott darum bitten, dass die Epidemie gestoppt werden kann. Wir selbst können das nämlich nicht. Gott aber kann es!

Wir sind ja heute hier, weil wir glauben, dass Gott stärker ist als diese Krise, ja sogar, dass er sie überwinden kann.

Er hat den Tod überwunden, was sollte ihm da noch etwas anhaben?

Jesus Christus hat den Tod besiegt für uns, und damit hat der Tod seine Schrecken verloren. Das ist keine Theorie, sondern das ist die Wahrheit!

Und bei aller Angst ist es diese Wahrheit, die wir anschauen müssen.

Christus ist der Lebendige. Er ist für uns gestorben und auferstanden.

Er ist der Überwinder des Todes, der Bote des göttlichen Reiches, unser Erlöser!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.