Predigt zum Sonntag Lätare zum Lesen und Hören

Die Predigt für den 22. März 2020 von Pfr. Till Jansen können Sie hier lesen oder hören:

Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. 

So beginnt Psalm 84, der für den heutigen Sonntag Lätare als Gotteslob vorgesehen ist. Lätare, Freuet euch: Das kleine Osterfest in der Passionszeit, das schon einen zaghaften Blick wirft auf die Zeit nach dem Leiden, auf die Zeit der Auferstehung Jesu. 

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Manch einer kennt diesen Satz aus dem Brahmsrequiem: eine ungeheuer trostvolle, sehnsuchtsvolle und zärtliche Musik, die auch eine vielleicht noch vorsichtige Freude anklingen lässt. 

Wer mag kann sich diesen Stück hier anhören und ansehen:

Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. 

Diese Verse lösen in mir verschiedene Gedanken aus, die ich heute mit ihnen teilen möchte: 

Zum einen denke ich an die Menschen, denen der Gottesdienst in der Markuskirche besonders wichtig ist. Da gibt es eine Frau, die immer schon eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst in die Kirche kommt und diesen besonderen Raum in der Stille für sich genießt. Da gibt es Menschen, die sich unheimlich gern anregen lassen von biblischen Texten und mitdiskutieren, wenn der Gottesdienst vorüber ist. Da gibt es Menschen, die Freude daran haben, den Gottesdienst mitzugestalten, mit Blumenschmuck, mit Lesungen, mit Raumgestaltungen. Da gibt es Menschen, die genießen besonders die Musik unserer Organisten, Orgelvorspiele und -nachspiele, Liedbegleitungen und das Singen. Es gibt viele Familien, die genießen, das Springen und Singen, das Basteln und Geschichten hören in der Kirche, wenn wir Kinderkirche für alle Feiern und es gibt Menschen, die sich gerne Freitagsabends versammeln, um gemeinsam für den Frieden zu beten. Und natürlich Menschen, die ihre Kinder oder sich selbst taufen lassen, die Angehörige verloren haben und nun ihnen nochmal im Gottesdienst nah sind, die geheiratet haben und im Gebet füreinander Dank sagen. Es gibt auch neugierige, die einfach mal reinschnuppern und schauen, was hier bei uns passiert. 

Alle diese Menschen haben nun, wo wir die Kirche nicht nutzen dürfen, auf besondere Weise Sehnsucht nach ihrer Kirche, die ein Stück Heimat für sie ist – neben den Menschen, die sie dort treffen, eben auch dieser besondere Raum. 

Wie lieblich sind deine Wohnungen. Ich denke natürlich auch daran, dass wir heute wenigstens in kleinerer Form begehen wollten, dass die Markuskirche 60jähriges Jubiläum feiert. Am 20. März 1960 ist die Markuskirche eingeweiht worden. Das sollte etwas begangen werden und auch mit einem Gemeindeforum verbunden werden, bei dem wir als Kirchenvorstand wissen wollten, was Sie sich für die Gemeinde wünschen.

Und ich denke an mein Studium zurück, in dem ich gelernt habe, dass es verschiedene Formen von Gotteshäusern gab und dieser Gedanke verbindet sich auf ganz eigene Weise mit der heutigen Situation unserer Gemeinde während der Coronakrise und mit der besonderen baulichen Form unserer Markuskirche. 

Ein Blick zurück, mehrer tausend Jahre weit: Es gibt noch keinen Tempel in Jerusalem, es gibt noch keinen Staat Israel und Juda, nicht einmal einen König. Aber besondere Orte gibt es, an denen gebetet wird: Auf Gipfeln von Bergen, an besonderen Orten in der Wüste und besonderen Orten in den Häusern und Zelten. Jede Familie, jeder Stamm hat einen Hausaltar an dem zu den Göttern gebetet wird. Eine besondere Ecke mit kleinen Statuen und Rauchwerk, der für das Gebet, für Dank, Bitte und Klage steht. 

Mir kommt das Bild des wandernden Gottesvolkes in den Sinn, das die Stiftshütte mit sich trägt: Ein besonderes Zelt mit der Bundeslade, worin die 10 Gebote aufbewahrt werden. Ein heiliger Ort, der mitwandert, wenn das Volk weiterzieht. An solch ein Zelt und das wandernde Gottesvolk erinnert auch der Bau unserer Kirche. Die Wände mit den besonderen Musterungen erinnern an alte orientalische Baukunst. Die vier Säulen, die die getäfelte Holzdecke tragen, erinnern an einen Baldachin, ein Stiftszelt, das Schutz bietet vor der Hitze des Tages und doch so mobil und leicht bleibt, dass man es weitertragen kann, wenn man wieder aufbricht. 

Ein besonderer Ort, der dazu da ist, zu verweilen, innezuhalten, aufzutanken, obwohl die Welt und man selbst in dauernder Bewegung und Veränderung ist. 

Ein Ort, um sich zu sammeln, Gemeinschaft zu stärken und sich zu rüsten für den Weg, der vor einem liegt. Ich selbst nehme diesen Raum oft genau so wahr: Ein Ort des Krafttankens. 

So besingt es auch der Rest des Psalmes 84: Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen. Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion. 

Die Kirche, auch unsere Markuskirche ist sogar dann ein Ort, der für all diese Dinge steht, wenn sie nicht in die Gottesdienste kommen. Immer dann, wenn eine Kirche aufgegeben werden muss, hört man solche Stimmen von Menschen, die die Kirche nicht besuchen, dass sie als ein Ort des Innehaltens und Betens erhalten bleiben soll. Ein stellvertretendes Beten mancher für viele. 

Heute stehe ich allein in der Kirche weil niemand kommen darf. Und auch das empfinde ich als ein stellvertretendes Beten für viele und hoffe, dass es manchen Kraft geben kann. 

Unser Jubiläum können wir nicht so recht begehen. Aber wir können uns, ganz wie in längst vergangenen Zeiten, einen eigenen Ort im Haus schaffen, der fürs Innehalten und Krafttanken steht und auch für die Gemeinschaft, in der wir stehen, obwohl wir uns nicht begegnen dürfen. 

Jeden Abend um 19.30 Uhr werden die Glocken der Markuskirche läuten und dazu einladen, eine Kerze ins Fenster zu stellen. Nehmen Sie sich doch ein paar Minuten Zeit, da mitzumachen: 5 Minuten Einkehr und Ruhe, mit dem Blick aus dem Fenster hinein in andere Häuser, wo auch Kerzen stehen und hinter den Kerzen Menschen, die Gemeinschaft und Kraft suchen. Nehmen Sie sich Zeit, daran zu denken, was Sie vor Gott bringen wollen. Beten Sie mit ihren Kindern. Bitten Sie um Kraft und Geduld, Danken Sie für schönes, was ihnen geschenkt wurde. 

Wenn Sie mögen, beten Sie auch mit den Worten, die wir auch schon seit langer Zeit gemeinsam sprechen: 

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe,wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld,wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeitin Ewigkeit. Amen.