Predigt zum Sonntag Kantate zum Nachlesen

Hier können Sie die Predigt zum Sonntag Kantate von Pfr. Till Jansen nachlesen. Die Predigt bezog sich auf ein Lied von Diana Krall, „Narrow Daylight“, dass Sie hier anschauen und hören können:

Predigt

Vor einiger Zeit gab es eine Radioserie über die emotionale Wirkung von Musik. In verschiedenen Folgen ging eine Musikredakteurin verschiedenen Gefühlen nach; Melancholie, Traurigkeit, Glück und manch anderem und suchte für jedes Gefühl Musikstücke aus unterschiedlichsten Epochen heraus. Wie wirkt diese Musik eigentlich? Warum hören wir manchmal so gerne melancholische Musik, wie kann Musik uns motivieren?

Sie ging auch der Frage nach, ob es manchmal vielleicht besser wäre, auf bestimmte Musik zu verzichten. Was passiert, wenn ein sehr depressiver Mensch den ganzen Tag Schuberts Winterreise hört?

Musik gibt unseren Gefühlen Klang, nimmt uns mit in Stimmungen hinein. Manchmal sind wir dafür empfänglich, manchmal nicht. Manchmal passt eine Musik ganz genau zu dem, was wir gerade brauchen und manchmal schalten wir sofort wieder ab, weil es so überhaupt nicht danach klingt, wie es uns gerade geht.

Musik kann Gefühle verstärken. Als Jugendlicher hört man manchmal ein und dasselbe Lied in Dauerschleife, weil es zu 100 Prozent zu unserem Lebensgefühl passt. Das ist Bestätigung: Mit der Musik im Ohr fühlen wir uns verstanden.

Als eine meiner Töchter ganz klein war, hatte sie jeden Abend um 20.00 Uhr für eine ¾ Stunde eine sehr pünktliche und konsequente Schreiphase. Nichts half, aber auch wirklich gar nichts, abgesehen von einem Mozartlied, gesungen von Barbara Bonney. Dieses Lied half … auch am liebsten in Dauerschleife. Wenn ich es heute höre, höre ich meine Tochter noch immer etwas mit und erinnere mich, wie schwer sie wurde, wenn ich sie herumtrug. Musik weckt Erinnerungen.

Und wenn man keinen CD-Spieler und keinen Streamingdienst hat? Dann braucht man einen Musiker, der das ganze live spielt.

Auch der König von Israel – Saul – brauchte Musik und einen Musiker. Wir hören, wie es ihm erging:

1. Samuel 16

Der Geist des HERRN aber wich von Saul, und ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn. 15 Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich. 16 Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand darauf spiele, und es besser mit dir werde. 17 Da sprach Saul zu seinen Knechten: Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir. 18 Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön, und der HERR ist mit ihm. 19 Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist. 20 Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David. 21 So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger. 22 Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen. 23 Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.

Liebe Gemeinde,

der Geist des Herrn verlässt Saul. Der König, der zugegebenermaßen etwas gegen Gottes Willen König wurde, fragt: Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Er braucht Linderung,  – mit Hilfe der Musik.

David, der Psalmendichter und Musiker, der spätere König, der der berühmteste König Israels werden sollte, kommt an seinen Hof und spielt für ihn.

Wie das geklungen hat, können wir nicht mehr wissen.

Daher haben wir eben ein neues Lied gehört: Narrow Daylight von Diana Krall und Elvis Costello.

Der Text des Liedes beschreibt einen vorsichtigen Aufbruch, den zaghaften Beginn der Befreiung aus einer Depression. Es ist neues Licht, das frühlingshaft schräg ins Zimmer fällt. Der Winter ist vorbei, aber der Sommer auch noch nicht da. Erinnerungen werden wachgerufen: Erfolge, dunkle Seiten, Unverstanden sein – bis jemand oder etwas die Figur, um die es geht, erkennt, durchschaut, ins Herz trifft. Die Frage taucht auf:

Ist die Freundlichkeit, auf die wir zählen, in jedem versteckt?

Kann in jedem Menschen die Gabe stecken, mich so anzunehmen, wie ich bin, so dass er mir, obwohl er mich durchschaut und alle meine Macken kennt, liebevoll entgegenkommt?

Es sind mehr Fragen als Gewißheiten, die diesen Aufbruch beschreiben: Noch steht die Singende auf einer hellen Wiese und wünscht doch den Regen herbei, sie wünscht sich, Trauer und Tränen loszuwerden.

Aber ein Anfang ist gemacht: Die salzige Luft auf der Haut ist wieder spürbar, sie zeigt, wie lebendig sie ist und ist nicht mehr irrelevant: Das Leben ist wieder spürbar. Der Ort, an dem sie ein wenig Frieden findet, ist ein altes Holzkreuz: Sie macht sich auf den Weg dorthin, durch die Felsen, sie weiß, dass sie dort ausruhen kann.

Erstes neues Licht. Sind wir doch stärker als wir dachten? Schaffen wir das?

So ist auch die Musik: ruhig fließend und trotzdem nicht leicht, in Dur und doch nicht fröhlich, fragend und aufbrechend zugleich und sie endet mit dieser Frage: Sind wir stärker als gedacht?

Ob David solch ein Lied für Saul gespielt hätte?

In der biblischen Geschichte ist es Gott, der Saul in diese Stimmung bringt und es ist Gott, der die Musik nutzt, um David an Sauls Hof zu bringen, sogar so, dass Saul David lieb gewinnt.

Warum hören wir manchmal so gern melancholische Musik? In der Radioserie lautete eine Antwort in etwa so: Weil wir in melancholischer Musik die ganze Komplexität unseres Lebens mit all seinen Facetten und unlösbaren Widersprüchen vereinen können in einem tiefen und trotz allem liebevollen Verständnis für das Leben an sich.

Unser Leben ist eben nicht, wie in vielen sozialen Medien wie Instagram und Tictoc suggeriert wird, immer nur lustig und schön, keine immerwährende Party voller Freunde, Schönheit und Gelöstheit. Das Leben geht viel tiefer. Ohne die Trauer und den Schmerz, ohne Wehmut und Sehnsucht wüssten wir nicht, was Glück ist und verlören uns selbst.

David hat für Saul offensichtlich den richtigen Ton getroffen, in Klängen und Worten. David hat, und so können wir es in den Psalmen immerhin noch nachlesen, das Leben in seiner Tiefe beschrieben – daher sind die Psalmen noch heute mit Wortbildern gefüllt, die uns berühren.

Erschöpfung: Ich bin ausgegossen wie Wasser …

Staunen: Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: 5 was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

Freude: Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich, das Meer brause und was darinnen ist.

Musik und Lieder sind ein göttliches Geschenk: Sie umfassen das ganze Leben und bringen es in Klänge in unseren Herzen und vor Gott.

Wie anders sollte man also besser mit Gott in Beziehung sein als mit Singen?

Amen