Predigt von Prädikant Lutz Geydan anlässlich seines Einführungsgottesdienstes (27.03.2022)

Wir freuen uns sehr, dass Lutz Geydan als Prädikant unsere Gemeinde in seiner offenherzigen Art, seinem aufmerksamen Blick auf Kirche und Gesellschaft und seinen anregenden Gottesdiensten bereichert! Wir wünschen ihm für seinen Dienst in unserer Gemeinde und in anderen Gemeinden Gottes reichen Segen!

Hier können Sie die Predigt von Prädikant Lutz Geydan nachlesen:

Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen

Armen

Liebe Gemeinde,

danke für diesen Gottesdienst. Ganz vielen Dank Erika Süßmann für den Kirchenvorstand, Stefanie Kühn für die Prädikant:innen und ganz vielen Dank an sie, Herr Glöckner. Sie haben den Anstoß für den Gottesdienst gegeben. Der Gottesdienst hat sich COVID bedingt ja auch immer mal verschoben. Ich weiß noch, dass wir im Spätsommer glaube ich das erste Mal darüber gesprochen haben. Auf einem Spaziergang, der dann eher zur Wanderung wurde, weil wir uns dann auch über alles mögliche andere unterhalten haben.

Ganz vielen Dank!

Liebe Gemeinde,

hier in der Südstadt konnte ich bei Till, Till Janssen meine Ausbildung zum Prädikanten machen. In der Markuskirche habe ich dann ein neues, geistliches Zuhause gefunden. Eine wichtige Kraftquelle fürs Leben. Sonntag für Sonntag finde ich in den Gottesdiensten Trost und Ermutigung.

Eine weitere Quelle für mein Leben sind die Gedanken, die der österreichische Psychiater Viktor Frankl gesagt, geschrieben und begründet hat. Sie haben ja am Eingang ein Papier mit einem kurzen Abschnitt über sein Leben und Wirken erhalten.

Das Leben von Viktor Frankl bewegt mich. Er hat Schreckliches in Konzentrationslagern erlebt. Er hat dabei aber den Lebensmut und -sinn nicht verloren. Im Gegenteil hat er nach dem Krieg weiter an der von ihm begründeten Logotherapie und Existenzanalyse gearbeitet. Er ist weiter seiner Sehnsucht gefolgt. Er hat mit seiner Lehre vielen Menschen Halt gegeben und sie inspiriert.

Frankl sagt, dass wir Heilung durch Sinn erfahren. Das finde ich inspirierend, tröstend, ermutigend und öffnend. Aber ich finde es auch etwas weit gefasst und wenig greifbar. Etwas herunter gebrochen und deutlicher zitiert Frankl aber Friedrich Nietzsche.

Der sagt: „Wer ein Wofür im Leben hat, erträgt fast jedes Wie.

Pause

Wer ein Wofür im Leben hat, erträgt fast jedes Wie.

Dieses Zitat lässt mich innehalten. Was ist mein Wofür im Leben? Mein Sinn? Lasse ich mich von Zwängen leiten? Suche ich Ablenkung satt Sinn? Oder habe ich etwas, für das ich eintrete?

Folge ich meiner Sehnsucht, oder lasse ich Träume nicht zu? Frankl sagt, dass wir zu jeder noch so schwierigen Situation im Leben, eine eigene Haltung finden können. Das verlangt uns viel ab.

Frag nicht, was du vom Leben willst, sondern was das Leben von dir will. Du bist die Gestalterin deines Lebens. Übernimm Verantwortung. Sinn fällt nicht vom Himmel. Wir habenaber die Möglichkeit, ihn zu suchen.

Auf dieser Suche, befinde ich mich jetzt schon fast 58 Jahre. Ich halte heute jetzt keinen Vortrag über Viktor Frankl. Aber ich möchte mir den Predigttext für heute, mit den Augen von Viktor Frankl anschauen. So, als würde ich diesen Text in einem Buch von Frankl finden.

Der Predigttext ist aus dem 2. Korintherbrief. Aus dem 1. Kapitel, die Verse 3 – 7. Wir hören ihn aus der Übersetzung der Basisbibel.

Dank für die Ermutigung, die Paulus von Gott erfahren hat.

Liebe Gemeinde, als Paulus diesen Brief schreibt, hat er schon einiges an Leid erfahren. Er trägt vieles in seinem Rucksack. Krankheit, Verhöhnung, Gefängnis und Angriffe.

Wenn wir auf sein Wirken schauen, dann ist aber eins auch ziemlich klar: Paulus, der Apostel, hat ein Wofür gehabt. Dieses Wofür, dieser Sinn, hat ihm die Kraft gegeben, auch Leid zu ertragen. Er ist sicher aber auch ein Beispiel dafür, dass mit einem Wofür sorgsam umgegangen werden muss. Sein Wofür, sein Sinn, hat sich verändert. Vom Feind des Christentums wurde er zu einem überzeugten Apostel Christi.

Sein Wofür hat ihn dabei getragen. Neben allen Enttäuschungen, Streit und Schwierigkeiten hatte er Begegnungen und Zuspruch, die ihm Kraft gegeben haben. Paulus hatte sicherlich nicht auf dem Schirm, der erste christliche Theologe zu werden. Aber er hat erlebt, dass er wirksam ist. Er hat Begegnungen gehabt, die in bereichert haben. Er hat andere bereichert, Gemeinden gegründet. Er hat erlebt, dass Samenkörner die er ausgeworfen hat, gewachsen sind.

Im Predigttext, Liebe Gemeinde, im Korintherbrief des Paulus, ist von Leid, Trost, oder auch Ermutigung die Rede. Die Gemeinde in Korinth erfährt gemeinsam leidvolles, immer wieder.

Im Leid gibt es aber auch immer wieder die Erfahrung der Ermutigung. Die Ermutigung, dievon Gott kommt und die sich die Gemeinde gegenseitig gibt und schenkt.

Leid, Trost, oder Ermutigung sind auch heute, über 2000 Jahre später allgegenwärtig.

Hinter uns liegen zwei Jahre, die uns viel abverlangt haben. Die Pandemie hat uns getroffen. Wir mussten uns verändern, mussten auf vieles verzichten, das unser Leben ausmacht.Körperliche Nähe, Umarmungen oder Handschläge. Gottesdienste, Kultur, Sportveranstaltungen. Das alles gab es zeitweise gar nicht, oder auch immer noch nur eingeschränkt. Viele waren und sind auch in ihrer Existenz bedroht. Es gibt skurrile gesellschaftliche Verwerfungen, immer noch.

Aber, wie im Predigttext beschrieben, gab es auch ermutigendes.

Menschen haben sich auf anderen Wegen zusammengefunden. Sehr schnell gab es Hoffnungsbotschaften, neue Formen von Gottesdiensten, gemeinsames Familienkochen über Video, Kabinettssitzungen und mehr.

Uns ist auch aufgefallen, dass die die Gesellschaft tragen, die Krankenschwestern, die Verkäufer:innen, die Müllfahrer:innen und mehr, dass die schlecht behandelt werden. Das Wort Systemrelevant hatte ich vorher noch nicht gekannt. Ein Problem, dass immer noch nicht gelöst ist.

Dem Predigttext folgend, haben wir uns gegenseitig getröstet, Solidarität gezeigt, gemeinsam gebetet. Im Leid, in der Krise, ist auch ermutigendes entstanden. Es ist ein Licht am Ende der Pandemie, am Ende des Tunnels. Wir haben es noch nicht erreicht, aber dieses Licht ist unsere Hoffnung.

Im Sinne von Frankl haben wir in der Krise, eine Haltung gefunden. Wir haben uns nicht aufgegeben. Wir haben an vielen Stellen Wege und Lösungen gefunden, die die Pandemie überdauern werden. Wir hatten und haben ein Wofür. Das ist vielleicht die Gemeinde, die Familie, die Arbeit, die Gesellschaft, eine Partei, der Garten oder ein Verein. Das ist unterschiedlich. In allem aber ist Gott, der uns trägt und bei dem wir Ermutigung finden.

Liebe Gemeinde, Licht am Ende des Tunnels.

Wie werden die Menschen in Kiew, Charkiw, Lwiw, Odessa, Mariupol oder anderswo in der Ukraine momentan über diese Metapher denken? Haben Sie noch Hoffnung? Finden sie in ihrer existenziellen Bedrohung noch Mut? Wenn wir unsere eigenen Ängste hinsichtlich dieses schrecklichen Krieges bedenken. Wie mag es Ihnen gehen?

Ich glaube, ganz viele von ihnen haben ein Wofür. Ganz viele von ihnen haben eine Haltung gewählt.

Sie verteidigen ihre Freiheit und überraschen einen brutalen und übermächtigen Angreifermit ihrem Mut. Sie fordern und provozieren auch uns. Das ist nicht immer schön, vielleicht auch nicht immer fair. Sie halten uns aber einen Spiegel vor. Was hat unsere Lebensweise damit zu tun, dass sie jetzt dieser Bedrohung ausgesetzt sind?

Sie haben eine Haltung, die im Predigttext und bei Frankl zu finden ist: wir haben auch in der Not noch eine Wahl. Wir haben die Möglichkeit der Angst gemeinsam zu begegnen. Durch das gemeinsam getragene Leid, finden wir auch die Kraft der Ermutigung. Die Menschen in der Ukraine schicken uns die Botschaft, dass sie nicht aufgeben. Sie glauben an ein Licht am Ende des Tunnels.

Glauben wir mit ihnen. Helfen wir ihnen, wie es uns möglich ist. Solidarisch, geschwisterlich und auch dazu bereit, auf etwas zu verzichten.

Es gibt dieses Licht am Ende des Tunnels: es ist das Osterlicht. Das versöhnte Leben, dass uns Jesus Christus schenkt. Egal ob wir im Leben leiden oder scheitern. Gott gibt uns Trost, ermutigt uns. Gott ist in den Schwachen mächtig. Darauf können wir uns verlassen.

Liebe Gemeinde,

das Osterlicht, oder das Licht am Ende des Tunnels ist unsere Sehnsucht. Viktor Frankl beschreibt das in einem seiner Texte so:

Am Grunde unseres Seins liegt eine Sehnsucht, die dermaßen unstillbar ist, dass sie gar nichts anderes meinen kann als Gott.

Folgen wir dieser Sehnsucht. Gemeinsam, tröstend, hoffnungsvoll, ermutigend. Jesus ist an unserer Seite.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen