Predigt vom 12. Februar 2023 zum Nachlesen

Hier können Sie die Predigt von Pfr. Till Jansen vom 12. Februar 2023 aus der Markuskirche nachlesen:

Schriftlesungen unterbrochen von Lied EG 395 Vertraut den neuen Wegen.

1) 1. Mose 12

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog.

Liedstrophe: EG 395, 1 Vertraut den neuen Wegen

2) Psalm 121

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? 2 Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. 3 Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. 4 Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht. 5 Der HERR behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand, 6 dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. 7 Der HERR behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. 8 Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!

Liedstrophe: EG 395, 2 Vertraut den neuen Wegen

3) Lukas 18

18 Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 19 Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 20 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!« 21 Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. 22 Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! 23 Als er das hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich. 24 Da aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! 25 Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. 26 Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? 27 Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Gottes Wort sei unserer Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege, Halleluja.

Glaubensbekenntnis

Lied: EG 395, 3 Vertraut den neuen Wegen

Predigt

Liebe Gemeinde, von drei Aufbrüchen haben wir eben gehört:

Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. (1. Mose 12)

Uff: Ersteinmal höre ich da nur Abbrüche: Weg vom Land, weg von der Familie, raus aus dem festen Haus ins Zelt. Abraham bekommt eine Aussicht vor Augen gestellt: Ein Land, das ich dir zeigen werde, ein gutes Land.

Vielleicht denken Sie an Menschen, die auswandern, um anderswo ihr Glück zu finden, die gelobte Länder suchen, weil sie sich dort mehr Erfolg versprechen, mehr Entfaltungsmöglichkeiten.

Vielleicht hören sie aber auch mit: die vielen Menschen, die ihr Land verlassen müssen, die ihr Haus verlassen müssen und in Zelte ziehen, die getrennt werden von der Familie, die alles hinter sich lassen, weil sie gar nicht anders können. Aus wirtschaftlicher Not, wegen Krieg und Verfolgung, die Gründe kennen Sie zur Genüge, wir sehen sie jeden Tag in den Nachrichten, zumindest einen kleinen Teil davon.

Es ist bezeichnend, dass gerade als ich diese Zeilen schrieb, ein Mann an der Tür klingelte, der um ein Kirchenasyl bat.

Wie bitter, dass ich ihn vertrösten muss: Ich kümmere mich und frage nach, wo es gehen kann. Leider nicht bei uns, weil es wirklich nicht geht.

Ein zweiter Aufbruch: Psalm 121: Worte, die man sprach, bevor man auf eine Pilgerreise ging, ein Segenswort für den Weg, eine Ermutigung, dass Gott über die Schritte wacht, die vor einem liegen, weil man eben nicht sehen kann, was hinter den Bergen auf einen wartet. Ich laufe los bis zu dem Horizont, der mir noch vertraut ist, aber was dann kommt, bleibt mir jetzt noch verborgen.

Und ein dritter Aufbruch, jedenfalls ein beabsichtigter, der zunächst scheitert (Lukas 18, 18-27). Der Reiche will gern aufbrechen, ein neues Leben ergreifen, das ewige Leben anstreben, diesem Mann, den alle Christus nennen und Gottessohn, folgen … aber er kann nicht. Etwas hält ihn zurück …trotz der Zusagen, die ihm ja auch gelten: Du sollst ein Segen sein, … Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Das aufzugeben, was er sich (im besten Fall) erarbeitet hat, was ihm Sicherheit gibt und Ansehen, das alles aufzugeben, vermag er nicht … und er bricht nicht auf, jedenfalls nicht in der ganzen Radikalität, die Jesus von ihm fordert.

Und wenn wir ehrlich sind: Das Loslassen von Dingen, von Angewohnheiten, von Sicherheiten, von Planbarem: Wie schwer uns das fällt!

Das Wort Beharrungskräfte habe ich in letzter Zeit oft gehört: So wie es angeblich immer war, so soll es bleiben, selbst dann, wenn alles drumherum ganz anders geworden ist, wenn das Gewohnte gar nicht mehr funktioniert, wenn antrainierte Verhaltensweisen und tradierte Formen nicht mehr aufgehen und nicht mehr tragen.

Die Welt verändert sich gerade auf radikale Weise und in einer Geschwindigkeit, die uns ins Schleudern bringt. Die Kirchen können davon ein Lied singen: Seit Jahrzehnten spricht man von Reformprozessen und Zukunftsprozessen, aber wenn man heute Kirchenleitungen fragt, wie die Vision von Kirche aussieht für die nächsten 10 Jahre, dann sagen sie, dass die Entwicklungen so schnell sind, dass man gar nicht mehr ein eindeutiges Ziel anstreben kann, sondern dass wir mit ungefähren Vorstellungen loslaufen und losplanen in dem Bewußtsein, dass sich diese Pläne unterwegs noch oft ändern müssen und angepasst werden müssen.

Und ich wette, es fallen ihnen noch viele andere Veränderungen ein, die gerade auf genau diese Weise ablaufen: Es ändert sich etwas, das Alte funktioniert nicht mehr, wir müssen loslaufen und losplanen, obwohl wir nicht genau wissen, wo es hingehen wird oder hingehen kann:

Wie sieht die künftige Friedensordnung in Euopa und der Welt aus. Wird es eine Friedensordnung sein?

Wie sieht es mit der Klimakrise aus? Was genau ist zu tun und welche unglaublichen Veränderungen wird sie mit sich bringen?

Was genau passiert eigentlich, wenn nicht mehr Staaten und Weltorganisationen das All mit Satelliten und Raumstationen ausbauen, sondern Privatpersonen, die auf das Geschick auf der Erde enormen Einfluss haben?

Was ist, wenn man nicht mehr merkt, dass eine Künstliche Intelligenz die Hausaufgaben für Schüler*innen erledigt? Oder Radiosendungen moderiert? Oder wissen Sie genau, dass diese Predigt nicht von ChatGPT geschrieben wurde?

Die Geschwindigkeit, mit der die Welt sich verändert auf so vielen Ebenen gleichzeitig ist rasant. Und überall sind wir zum Aufbruch aufgefordert, während alte Sicherheiten schwinden oder sich erweisen als Sicherheiten, die eigentlich nie welche waren.

In diesem Wirbelsturm der Veränderung hören wir noch einen vierten Text zum Aufbruch, der mit einer Bekräftigung der Verheißungen Gottes ermutigt, vor diesen Veränderungen nicht wie ein Kanichen vor der Schlange zu stehen, sondern loszulaufen. Ein Abschnitt aus dem Prophebenbuch des Jesaja im 55 Kapitel:

Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, 9 sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. 10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. 12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.

Gottes Wege und Gottes Gedanken sind zu hoch für uns. Wir kennen weder seinen Plan, noch haben wir Gottes Ziel verstanden.

Für die Menschen damals war es überhaupt nicht nachzuvollziehen, wie Schnee und Regen vom Himmel fallen. Für sie kamen Schnee und Regen vom Himmel und kehrten tatsächlich nicht zurück: Unerklärlich, dass der Himmel das Wasser einfach loslässt.

Sie formulieren mit diesem Bild, was sie im Alltag erleben. Manches ist mir zu hoch: Der Plan Gottes, das Wasser vom Himmel – ich kann es weder beeinflussen noch ergründen. Aber das Wasser, dass der Himmel loslässt, es wirkt auf der Erde und lässt wachsen – all das, was wir zum Leben brauchen. Einmal losgelassen, tut das Wasser seinen guten Dienst an der Erde. Irgendwie. Irgendwann.

So soll das Wort Gottes auch sein, verspricht Jesaja. Es geht aus von Gott, wir verstehen seine Wege nicht, aber es wird wirken und Leben hervorbringen.

Was das bedeuten kann, das hat mir eine sterbende Frau vor Kurzem klar gemacht mit ganz einfachen Worten. Sie sagte: „Früher habe ich mich immer gefragt, wie es nach dem Sterben sein wird. Ich wollte mir das vorstellen. Jetzt weiß ich, dass es nicht wichtig ist, das jetzt schon zu wissen. Wichtiger ist für mich das Vertrauen, dass Gott es weiß.“

Klingt das für Sie etwas naiv?

Muss man nicht fragen und kritisch sein und forschen und wissen wollen?

Mein Eindruck war: Für diese Frau war es enorm wichtig, sich das alles im Leben zu fragen und es war genauso wichtig am Ende, das Fragen loszulassen und einfach zu vertrauen.

Wenn uns nun beides zugleich gelänge: Schon im Aufbruch bei allem nötigen Fragen und Suchen voller Vertrauen loszugehen, Ängste hinter sich zu lassen bei aller berechtigter Sorge, dem Ziel zu vertrauen, obwohl wir es nicht sehen und nicht kennen können, …  wäre das nicht ein großer Segen?

„Mein Wort wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.“

Manchmal brauchen wir in den Veränderungen unserer Zeit solche Mutmacher: Erinnerungen an die Freude, Frieden in allem Suchen, Geleitet sein trotz aller Fragen.

Daher nehmen Sie gerne die Karte, die Sie auf ihrem Platz gefunden haben mit nach Hause, pinnen sie an den Kühlschrank oder die Garderobe, so dass immer wieder mal der Blick darauf fällt und uns an sein Versprechen erinnert.

Gott stärke unser Vertrauen in sein Wort und seine Zukunft, Gott stärke unseren Mut, aufzubrechen in die Zeit, die kommt, Gott segne unser Suchen und unser Gefundenwerden.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, auch als unser Sehen und Forschen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen