Predigt Pfingstsonntag 2021 von Pfarrerin Petra Fuhrhans zum Hören und Nachlesen

Hier können Sie den Gottesdienst anhören:

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Predigt
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Herr, gib uns deinen Heiligen Geist,
dass wir in seinem Sinne leben und dein Wort weitertragen. Amen

Predigttext: Der Turmbau zu Babel

1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. 5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.

Liebe Gemeinde,

sie haben einen Turm gebaut, die Menschen am Anfang der Menschheitsgeschichte. Hand in Hand arbeiten sie. Die einen tragen Steine. Andere fügen die Steine zusammen.  Manche rühren Mörtel an. 

Alle wissen, was zu tun ist. Sie haben einen Plan: Hoch soll ihr Bauwerk werden! Immer höher. 

Ob sie Angst haben, dass sie sonst nicht bestehen und einfach untergehen? 

Ob sie mögliche Feinde schon von weitem ausmachen wollen? 

Oder ob Ihr Bau andere schon von Weitem beeindrucken soll? 

Ob sie ihre Macht demonstrieren wollen und sein wollen wie Gott?

Vielleicht ist es eine Mischung aus allem. Jedenfalls treibt ihr gemeinsames Ziel sie an. Hoch und höher wird ihr Turm. Es soll ein Turm werden, der zu Gott führt. Ihm wollen sie ihre Größe beweisen.

Das geht gut, denn so ein gemeinsames Ziel verbindet. Es geht gut bis Gott wie von oben eingreift und sich ihr Bauwerk genauer ansieht.

So erzählt es die Bibel in der Geschichte vom Turmbau zu Babel. 

Gott heißt nicht gut, was sie tun und er sorgt für Verwirrung. 

Er verwirrt ihre Sprachen und sie verstehen einander nicht mehr. Der Bau leidet darunter. Absprachen funktionieren nicht mehr, jeder macht, was er will. Die Mauern werden schief, bröckeln ab. Am Ende weiß keiner, was oben und unten ist. Sie sprechen keine gemeinsame Sprache mehr für ihr großes Projekt und verlieren einander aus den Augen. 

Das Projekt scheitert. Es war doch gar zu ehrgeizig. Sie trennen sich. Erleben das, was sie vermeiden wollten, dass sie zerstreut werden in der ganzen Welt.

Liebe Gemeinde, 

was haben wir mit dieser alten Geschichte zu schaffen? Wahrscheinlich ist sie nie so geschehen wie sie beschrieben wurde, aber sie steht für etwas und das sollte uns bekannt vorkommen. Denn wie oft bauen wir Türme? Immer mehr wollen wir haben, immer mehr müssen wir erreichen. Wirtschaftswachstum, Gewinnoptimierung, Leistung, Profit, Lebensqualität, … unsere Türme haben unterschiedliche Namen. Wir denken, es ginge immer nur bergauf. Aber dann werden wir ausgebremst. Wir persönlich und wir als Gesellschaft und dann muss sich zeigen, wie unser Miteinander aussieht und ob es trägt.

Im Moment arbeiten viele bei uns aneinander vorbei. Die einen organisieren Impfungen, aufwändig und kompliziert mit Wartezeiten. Wer darf zuerst drankommen? Wer ist besonders gefährdet? Die andern organisieren Demonstrationen auf der Straße, um gegen die Impfungen zu protestieren. 

Die einen sprechen von Intensivstationen, die andern von Impfdiktatur.  

Dabei entzweien sich Kollegen und Freundinnen. Eltern und Kinder sehen mitunter sehr unterschiedlich, was jetzt richtig ist. Eine versteht nicht mehr, wovon der andere spricht. 

In den Augen der einen „babbeln“ die jeweils andern dummes Zeug – fast wie in Babel. Dort will Gott nicht länger zusehen, dass diese eingeschworene Gemeinschaft ihren tollen Turm baut, ohne nach rechts und links zu schauen. Er verwirrt ihre Sprache, indem er neue schafft. Sie verstehen einander nicht mehr.

Die, die sich von anderen abgrenzen wollten, denn auch jenseits von Babel leben ja Menschen, die anders sprechen, die die Welt anders sehen, gehören nun nicht mehr zusammen. 

Sich von anderen abgrenzen, sie in allem überragen wollen, schützt das eigene Leben auf Dauer nicht. Das Ziel bleibt auf diese Weise so unerreichbar wie der Himmel. Dorthin ragt kein Turm. Mit dem Turmbau zu Babel haben sich die Menschen übernommen.

Darum ist Gott eingeschritten.  Sich überheben wollen, unbesiegbar sein wollen – darauf liegt kein Segen! Bausteine für gelungenes Leben sehen anders aus! Jedenfalls sahen das diejenigen so, die sich diese Geschichte zuerst erzählt haben – wie in einem Rückblick auf ihre Ur-Anfänge in der Welt. 

Vom Turmbau zu Babel erzählen sich Menschen, die schon viel Lebenserfahrung mitbringen. Sie wissen, dass sich das Leben längst unterschiedlich entwickelt hat. Und dass diese Vielfalt etwas braucht, was miteinander verbindet. Eher Brücken als Türme! Menschen sprechen viele Sprachen. Und so hat Gott sich das offenbar auch vorgestellt. Aber niemand braucht Angst zu haben, deshalb in der Welt verloren zu gehen. 

Das Türme-bauen ist gar nicht nötig – aber Brücken, die sind gefragt!

Brücken von einem Volk zu anderen, Brücken von einem Glauben zum anderen, Brücken zu Fremden, aber auch Brücken in Familien oder zwischen Freunden. Immer wieder muss man sich auf die Sprache und die Gedankenwelt der anderen einlassen.

Heute feiern wir Pfingsten. An Pfingsten ist folgendes geschehen.

Lesung:  Apg 2,1-18 Ausgießung des Heiligen Geistes

1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.

3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,

4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.

5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.

6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.

7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? 

8 Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?

Pfingsten: Die Jüngerinnen und Jünger Jesu sind in Jerusalem, alle zusammen in einem Haus. Keiner verlässt den Raum, kein Fremder darf eintreten. Sie sind eine geschlossene Gemeinschaft. Bloß jetzt kein Risiko eingehen! Sie haben Angst und das ist durchaus berechtigt. Sie waren Jesus nachgefolgt. Ein ganz neues Leben hatten sie mit ihm angefangen, spannend und intensiv. Nun ist er nicht mehr da. Gestorben, auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist er.

Das müssen sie erstmal verkraften, auch um ihren Glauben und ihre Hoffnung nicht zu verlieren. Zusammenhalten wollen sie und doch haben sie Angst. Pfingsten in Jerusalem. Sie sind verwirrt, denn sie haben am Karfreitag, das vermeintliche Scheitern einer Idee, eines Lebensentwurfs erlebt, aber dann ist ihnen der größte Triumph aller Zeiten geschenkt worden. Der Sieg des Lebens über den Tod. Aber nun hat der Auferstandene sie wieder verlassen. 

Dann kommt der Heilige Geist, von dem Jesus gesprochen hatte.

Sie sind nicht mehr alleine. Und sie fangen an zu sprechen. Der Geist löst ihre Zunge, sie sprechen und die anderen verstehen sie, jeder in seiner Sprache

Verrückt ist das. Aber es geht. Plötzlich geht es. Sie werden verstanden. Parther, Meder, Elamiter, … eine bunte Gemeinschaft. Alle hören sie in ihrer Muttersprache. Der Heilige Geist schafft Brücken zwischen den Jüngern und den Fremden aus aller Herren Länder. Das ist das Wunder, das an Pfingsten geschieht. Er hebt die Sprachverwirrung nicht auf, aber er schafft die Möglichkeit der Verständigung. Er entlässt uns nicht aus der Verantwortung, aber er gibt uns Rückendeckung in unserem Reden und Handeln

Pfingsten 2021: 

Es wäre schön, wenn es ein Pfingsten des Brückenbauens werden würde. Brücken zwischen Afghanen und Amerikanern, Chinesen und Deutschen, Israelis und Palästinensern, …, den verschiedenen Nationalitäten und Glaubensrichtungen in  unserem Land, zwischen Arm und Reich, Alt und Jung, Corona Leugnern und allen die sich ganz streng an alles halten, aber auch in den Familien und zwischen zerstrittenen alten Freunden.

Einander verstehen und verstanden werden in dem Wunsch nach Leben, nach Entfaltung, nach Glück. 

Einander verstehen und verstanden werden in der Sehnsucht nach Luft zum Atmen, nach Berühren und Berührtwerden ohne Angst. 

Ich wünschte, Gottes Geist käme an unsern Ort und mache uns ansprechbar auf Geschichten, auf Lieder, auf Begegnungen mit Gott. 

Es ist als wäre er da. Dieser eine, in dessen Sinn wir glauben und leben. 

Denn dieser eine, dieser Jesus, der uns seinen Geist schickt, der hat keine Berührungsängste. Sogar mit Leuten, die ganz anders denken und glauben, spricht er. Um zu verstehen, was grade los war. Berührend ist das. Es löst die Ängste und es löst die Zunge.

Ich wünsche uns Gottes Geist, den wir so sehr brauchen; 

hier und in der ganzen Welt.

Ich wünsche, wir würde heute beginnen, Brücken zu bauen zu unseren Nächsten; im Kleinen und im Großen.

Und ich weiß, mit seiner Hilfe wird uns das möglich sein. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Hier finden Sie die gesamte Liturgie zum Nachlesen.