Predigt am Pfingstmontag von Pfarrerin Petra Fuhrhans

Hier gibt es die Liturgie zum Nachlesen.


Gottesdienst am 1. Juni 2020, 10:00 Uhr, Markuskirche, Pfrin. Petra Fuhrhans, Ina Biesewig (Flöte), Petra Koch (Orgel)

Sie können den Gottesdienst unten lesen oder hier anhören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Herr, gib uns deinen Heiligen Geist,
lass ihn wirksam werden in aller Welt. Amen.

Liebe Gemeinde,

der Predigttext heute hat etwas Ernüchterndes.

Gestern noch war das große Brausen der Pfingstgeschichte Thema.

Da ging es um einen starken Wind, ein abgedecktes Dach, Feuerzungen, die sich auf den Jüngern niederließen, flammende Reden in verschiedenen Sprachen, einer genialen Predigt des Petrus, die Taufe von 3000 Menschen und die Gründung unserer christlichen Kirche. – Die Pfingsterzählung der Apostelgeschichte ist ein großartiger Text mit beeindruckenden Bildern. –

Heute haben wir einen einfachen Text, eine kleine Erzählung im Evangelium nach Johannes, der eigentlich dazu neigt, die Geschichten sehr blumig zu erzählen. – Das sieht man z.B. an den wenigen Wundergeschichten, die das Johannesevangelium erzählt und die in der Regel viel mehr ausgeschmückt sind als in den anderen Evangelien. – Eigentlich; hier wohl eher nicht. –

Die Geschichte der Verleihung des Heiligen Geistes, die die Überschrift „Die Vollmacht der Jünger“ trägt, ist seltsam kurz und einfach. Aber hören Sie selbst. Ich lese Joh. 20, 19 – 23

19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!

20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.

21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.

22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!

23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.

Schade! Da habe ich doch glatt wieder den falschen Text „erwischt“. Leider!

Ich habe keine tolle Geschichte, kein Pfingstwunder, keinen Sturm, den ich mit den bunten Bändern am Turm in Verbindung bringen kann.

Doch dann schaue ich genauer hin, denn es steht viel im Text und im Kontext.

  1. Eine Auferstehungsgeschichte steht im Text.

Die Jünger sehen ihren auferstandenen Herrn das erste Mal.

Sie haben sich versammelt in Furcht und Angst. Die Türen haben sie fest verschlossen. Sie sind traurig und wissen nicht mehr weiter.

Dann kommt Jesus, mitten in die Furcht, mitten in ihre Angst. Durch die fest verschlossene Tür tritt er mitten unter sie. „Friede sei mit euch!“ Das sind klare, wunderbare Worte, gerade in dieser Situation.

„Friede sei mit euch!“ Gerade, wenn ich Angst habe und sorgenvoll bin, mag ich diese Worte gerne hören. Es sind wirkmächtige Worte. Sie lösen sofort etwas aus. Auch wir in unserer angespannten und unsicheren Zeit können sie gut brauchen. Wenn das Herz ruhelos ist, wenn Situationen kaum auszuhalten sind, wenn die Angst groß ist, hat gerade die Zusage des Friedens etwas Erlösendes. Das angstgeplagte Herz kommt zur Ruhe, der Blick wird wieder frei,

Wir können wieder aufatmen, uns sammeln und dann wieder aktiv werden. Mit sich selbst und der Welt im Reinen, kann man viel erreichen.

Wie viele Situationen gab es in den letzten Wochen, in denen wir sein „Friede sei mit euch!“ gut gebraucht haben, um wieder runterzukommen, um klar zu sehen, um unsere Angst zu bekämpfen? Und wie oft haben wir diese Worte gehört oder nur geahnt und aus ihnen neue Kraft getankt?

Sie müssen dennoch etwas verwirrt gewesen sein, die Jünger, denn er zeigt ihnen seine Hände und seine Seite, damit sie wissen, dass er es ist, der Auferstandene. „Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.“

Wie froh mögen sie wirklich gewesen sein? Der kurze Satz gibt wenig Informationen und sagt doch alles. Aus Trauer und Verzweiflung wird Freude.

Sie sind orientierungslos gewesen, die Jünger. Sie haben nicht gewusst, wohin sie gehen und was sie machen sollen. Sie haben sich verkrochen.

Als Jesus kommt und sich zeigt, weicht ihre Anspannung und Freude keimt auf. Aber trotzdem ist es als hätten sie noch nicht ganz verstanden, was da gerade wirklich geschehen ist, als bräuchten sie einen Beweis. Als Beweis dienen hier die Wundmahle an Seite und Händen. Er ist es wirklich! Gott sei Dank!

Manches Mal bin ich in den letzten Wochen hier alleine in der Kirche gewesen und habe sie gespürt; die Gegenwart des Auferstanden, habe wahrgenommen, dass er stärker ist als alles, was uns bedroht. Selbst der Tod kann ihm und letztlich auch uns nichts mehr anhaben.

Vielleicht ging es Ihnen das eine ums andere Mal genauso im Gespräch mit ihm, beim Lesen der Bibel, im Gebet. Plötzlich ist er ganz nah. Wir merken das. Da geht es uns wie den Jüngern. Wir haben allen Grund uns zu freuen.

  • Die Geschichte erzählt von einer Beauftragung.

Jesus setzt die Jünger mit den nun folgenden Worten wieder auf die Spur, gibt ihrem Leben einen (neuen) Sinn, eine Aufgabe. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“

Ich kann mir gut vorstellen, dass keiner auch nur ein Wort gesagt hat in diesem Moment. Ich sehe ihre erstaunten Blicke und ihre Fassungslosigkeit.

Die Begegnung mit dem Auferstandenen muss man erst einmal verarbeiten. Eigentlich – Jesus lässt ihnen allerdings keine Zeit dafür.

Ehe sie ihm noch zu Füssen fallen – im wahren oder übertragenen Sinne des Wortes – hebt er sie auf, richtet sie auf, stärkt sie, vertraut ihnen die wichtigste Aufgabe überhaupt an. „Ihr könnt das! Ich traue euch das zu! Habt keine Angst!“ All das schwingt in seinen Worten mit. „Ihr sollt aktiv werden, so wie ich!“ „Und das sage nicht ich euch, sondern das sagt euch Gott! Sein Auftrag ist es, denn ihr erfüllen sollt und könnt!“

Ich sehe sie förmlich über sich hinauswachsen, die Jünger, aufgebaut durch einfach Worte, aber vor allem durch das göttliche Vertrauen, das in sie gesetzt wird. Gott traut ihnen das zu. Jesus traut ihnen das zu. Er hält sie für fähig, in die Welt zu gehen und seine Botschaft weiterzutragen. Sie, die einfachen Fischer und Zöllner und was sie sonst für Berufe hatten, sie, die oft so viel haben nachfragen müssen und über die sich Jesus oft auch geärgert hat und die sich selbst so wenig zugetraut haben in ihrer gemeinsamen Zeit.

„Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken“ sagt Friedrich Schiller, und ich glaube, das sind die Jünger in diesem Fall wirklich: gewachsen.

„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“

Auch wir haben unseren Auftrag. Gott sendet uns in die Welt. Auch uns ist Jesu Aufgabe anvertraut. Wir sollen den Menschen von Gottes Reich erzählen und weitergeben, was wir erfahren haben. Und wir sind nicht allein! „Nehmt hin den Heiligen Geist!“

Nicht im Großen, nicht im Brausen oder in den Feuerzungen wird Gottes Geist verliehen. – So mag das damals in der Apostelgeschichte gewesen sein als unsere Kirche entstand, heute ist es anders, eher so wie bei Johannes. –

Es ist Jesus Atem, der Lebenshauch, der von dem Auferstandenen ausgeht.

Jesus hat zuvor immer wieder von dem Tröster, der kommen wird, gesprochen. Nun gibt er ihn ganz persönlich weiter.

Hier geschieht etwas Wunderbares. Jesus kommt den Menschen nahe; seinen Jüngern damals und uns heute. Er haucht Ihnen und uns den Geist ein. Sanft, aber durchaus wirkungsvoll.

Liebe Gemeinde,

Inzwischen bin ich übrigens davon überzeugt, dass ich doch den besseren Text habe. Etwas so Persönliches wie Jesus, der selbst den Geist an seine Jünger weitergibt, kommt in keiner anderen Geschichte vor.

Wir haben Teil am Leben Jesus, wir haben Teil an seinem Sterben und seiner Auferstehung, wir haben Teil an seinem Geist. Was kann es für uns Schöneres geben? Wir sind nicht alleine. Er ist bei uns und wird es bleiben von unserem ersten Atemzug bis zu unserem letzten und darüber hinaus.

Wir brauchen kein großes Brausen, wir brauchen keine Feuerzungen, wir brauchen Jesu Vertrauen. Nicht andere, wie auch immer Höhergestellte, sind gefragt, wir alle sind gefragt: Pfarrerinnen und Pfarrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Christinnen und Christen, Sie und ich!

„Nimm hin den Heiligen Geist!“ Das meint uns hier, jetzt und heute in einer Zeit der Angst und Unsicherheit. Wir haben den Tröster, der es möglich macht, unserem Auftrag nachzukommen und der es uns möglich macht, schwierige Zeiten durchzustehen, der es möglich macht, dass wir niemals einsam sind.

Und dann ist da noch der Auftrag. Was ist eigentlich unser Auftrag? Wenn man es liest, erscheint er seltsam präzisiert: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“

  • Der Text erzählt von einer großen Verantwortung

Es geht um die Sünden der Menschen. Sünde; das ist eigentlich ein Begriff, den die Welt gerne in der Klamottenkiste versenken würden. „Sünde“ das mag man gar nicht so gerne hören. Was ist Sünde? Ein Stück Kuchen zu viel essen? Brot wegwerfen?

In der Bibel ist Sünde die Abwendung von Gott; nicht mehr und nicht weniger. Wann immer sich Menschen von Gott abwenden, sündigen sie, und wann immer sie das tun, müssen sie mit den Folgen ihres Handels rechnen.

Die Sünde wegnehmen heißt nun, den Weg zu Gott wieder freizumachen.

Jesus hat das getan. In seinem Leben und Sterben hat er die Sünde der Menschen getragen und fortgenommen. Er hat sie mit Gott versöhnt. Eigentlich ist nun der Weg frei.

Der Auftrag an die Jünger ergeht trotzdem, weil sich Menschen immer wieder von Gott abwenden. Weil sie von ihm nicht wissen wollen, weil sie nicht leben wollen wie es von Ihnen erwartet wird.

Ihnen das aufzuzeigen; diese Aufgabe kommt den Jüngern und damit auch uns zu.

Wo wir den Weg weisen und freimachen, da können Menschen zu Gott kommen.

Wo wir das nicht tun oder Menschen das nicht annehmen, bleibt der Weg versperrt.

Wo Menschen ihre Abwendung erkennen und es Ihnen leidtut, kann Ihnen vergeben werden.

Dass das möglich ist, dazu sollen wir beitragen, dazu sind wir beauftragt.

Darauf sollen wir aufmerksam machen. Jeder so gut er kann und mit seinen Gaben.

Auf diesem Hintergrund würde ich übrigens gerne nochmal nachdenken über die in letzter Zeit vieldiskutierte Relevanz der Kirche nachdenken.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.