Passionsandacht zum 1.4.2020

Die Passionsandacht von Pfr. Till Jansen können Sie unten lesen oder hier hören:

Are you afraid? Hast Du Angst? 

Natürlich habe ich Angst …

dass jemand aus meiner Familie, von meinen Freunden sich infiziert. 

dass ich mich infiziere.

dass das Gesundheitswesen überfordert ist. 

dass es zu Triageentscheidungen kommen muss.

dass unsere Gesellschaft überfordert wird. 

um die Demokratie. 

vor Radikalisierung. 

dass die Isolation den Familien zu viel wird. 

dass einsame Menschen noch viel einsamer sind. 

dass die Wirtschaft zusammenbricht. 

dass Europa auseinanderbricht. 

dass der Egoismus siegt. 

vor dem Tod. 

vor dem Leben. 

Jeder hat Angst und Ängste. Sie sicher auch. Manchmal sind sie einem bewußt, manchmal auch nicht. Und dann gibt es Momente, in denen die Angst so richtig hoch kommt. 

Auch bei Jesus war das so. Der, der so furchtlos sich allen Autoritäten seiner Zeit entgegenstellt, sitzt am Abend seiner Verhaftung und am Anfang seines Leidensweges im Garten Gethsemane: voller Angst. 

Matthäus 26, 36-46: Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete. 37 Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen. 38 Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir! 39 Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! 40 Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? 41 Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. 42 Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! 43 Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. 44 Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte. 45 Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. 46 Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.

Mehrere Dinge fallen mir an diesem Text auf: Jesus wünscht sich nichts mehr als Unterstützung von seinen Jüngern: Sie sollen mit ihm beten und wachen – und schaffen es nicht. Die Gemeinschaft bleibt ihm verwehrt. Was er sucht ist jemand, der ihm den Rücken stärkt. Offensichtlich können die Jünger das gerade nicht. Vielleicht sind sie selbst übefordert? Vielleicht schätzen sie die Lage falsch ein? Vielleicht verlangt Jesus auch zu viel? 

Jesus betet zu Gott. Aber eine Antwort Gottes hören wir nicht. Jesus bringt vor Gott, was ihn beschäftigt, er bringt seine Angst vor Gott, und gleichzeitig sein Vertrauen. 

Beides verändert sich in dieser Szene: 

Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; 

Jesu Wunsch und im Gegenzug seine Angst ist sehr deutlich: Mach, dass es nicht sein muss! Verhindere mein Leiden! Beseitige die Ursache meiner Angst!

Und gleichzeitig spricht er im Vertrauen zu Gott: „…doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“. 

Jesus stellt den Willen des Vaters über den eigenen Willen – nicht aus reinem, blindem Gehorsam, wie ich glaube, sondern weil er weiß, dass der Wille Gottes nicht zufällig, nicht beliebig, nicht boshaft oder ignorant ist. Jesu Leidensweg offenbart in der biblischen Erzählung Gottes liebevollen Weg zu den Menschen, in ihr Leiden, in ihren Tod. Und zugleich ist dieser Weg die Überwindung von Leiden und Tod: Gott lässt das Leiden nicht stehen, sondern überwindet es mit Leben. Aus Karfreitag wird Ostern, aus Tod wird Leben. 

Das ist das Vertrauen, das Jesus in seinen Vater hat. Der Weg ist dennoch Leiden und Tod. Und natürlich hat Jesus Angst. 

Als Jesus zum zweiten Mal betet, klingt das etwas anders, etwas hat sich verändert: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! Jesus nimmt den Weg, der ihm auferlegt ist, an. Noch immer nicht angstlos, wie auch. Aber er nimmt ihn an. 

Wir sind nicht Jesus und wir wissen nicht, warum wir leiden. Das ist ein bedeutender Unterschied. Aber dennoch können wir etwas aus Jesu Gebet für uns mitnehmen. 

Wir können zuallererst unsere Angst vor Gott bringen. Wir können und dürfen sie aussprechen. Sogar so weit wie die Psalmbeter, die Gott anschreien und anklagen, dass wir leiden. Wenn wir das jemandem zumuten können, dann Gott. 

Auch wenn wir beten, bekommen wir wie Jesus auch keine alles lösende Antwort von Gott. Uns ist zwar gesagt, dass auch unser Leiden nicht Leiden bleiben wird, dass unser Tod vom Leben überwunden wird, aber darauf müssen wir vertrauen – wir bekommen keine Garantien und keine Beweise. 

Wir müssen diesen Weg, wie auch immer er aussieht, annehmen. Das bedeutet: Nicht wegrennen, nicht ignorieren, sondern so gut wir können gestalten! Im Vertrauen gestalten. 

Are you afraid? Hast Du Angst? 

Natürlich habe ich Angst, aber …

ich sehe auch, wie Nachbarn einander helfen. 

ich höre, wie Menschen sich am Telefon einander zuhören und stärken. 

ich nehme ein besonnenes Handeln unserer Politiker wahr. 

ich weiß, dass Forscher mit Hochdruck an Therapien und Impfungen arbeiten. 

ich nehme wahr, dass viele Familien sich enorm Mühe geben, gut miteinander durch diese Zeit zu kommen. 

ich sehe auch neue Formen des Arbeitens, die auch in der Zukunft hilfreich sein können. 

ich höre auch Stimmen, die für die Zukunft unserer Gesellschaft etwas lernen und verändern wollen. 

ich sehe auch Formen der Solidarität in Europa und weltweit. 

es gibt viele Menschen, die mit großem Gottvertrauen in diese krisenhafte Zeit gehen mit dem festen Willen, mit Gottes Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit die Krise zu bewältigen. Dafür danke ich diesen Menschen und Gott. Denn das setzt meiner Angst etwas entgegen und befreit.