Osterpredigt von Lektor Lutz Geydan

Unten können Sie die Predigt von Lutz Geydan lesen oder hier anhören:

Osterpredigt von Lektor Lutz Geydan aus der Markuskirche Kassel

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Liebe Gemeinde,

wandert jemand von Ihnen gern? Gehen Sie gern mal länger raus in die Natur, in die Wälder oder gar in die Berge? Oder haben Sie das früher gern gemacht und belassen es heute bei einem Spaziergang in der Aue, oder im Bergpark?

Vielleicht haben Sie auch schon einmal etwas vom Pacific Crest Trail gehört? Oder Sie kennen ihn sogar.

Der Pacific Crest Trail (kurz PCT genannt) ist ein 4300 Kilometer langer Fernwanderweg im Westen der USA. Die meisten die ihn gehen, starten in Kalifornien an der Grenze zu Mexico. Ihr Ziel ist in der Regel ein Ort in British Columbia an der Grenze zu Kanada. Sie sind dann durch die Staaten Kalifornien, Oregon und Washington gegangen, den höchsten Punkt haben sie am Forester-Pass mit 4000 m erreicht und sie sind durch Wüsten, Täler, Berge, Schnee und Eis, durch Geröll, durch Mückenschwärme oder durchs Moor gewandert. Sie sind Bären oder Wölfen begegnet, haben unter freiem Himmel übernachtet und nicht immer gewusst, was der Tag bringen wird und wo sie in der Nacht schlafen werden. Sie haben gelernt, wie wenig man wirklich zum Leben benötigt.

Meine Frau und ich sind vor ein paar Jahren mal einen ganz, ganz kleinen Teil dieses Wanderwegs gegangen. Seitdem ist es mein Traum, auch mal den PCT zu gehen. Mir 6 – 8 Monate Zeit zu nehmen, genug zu trainieren und mich in der Obhut mit einer Wander-Gruppe und unter einer Wander-Führung auf diesen Weg zu begeben.

Und gerade jetzt, zu einer Zeit in der sich unser Leben so sehr verändert und wir eine reale Bedrohung durch die Epidemie erleben, da meldet sich dieser Traum wieder spürbarer. Viel präsenter als im sonstigen Alltag, wo er mir auch ein bisschen wie eine kleine tägliche Flucht aus dem Hamsterrad erscheint.

Ich lese derzeit wieder viel über den Trail, schaue mir Dokumentationen an, freue mich, wandere in meiner Phantasie los, vergesse nicht die aktuellen Bedrohungen, schöpfe aber spürbar Zuversicht und Hoffnung.

Und so gehe ich jetzt auf diesen Wanderweg, kommen Sie doch für die nächsten Minuten mit.

Was nehme ich mit auf den Weg? 20 Kilo – mehr sollte das Gepäck insgesamt nicht wiegen, wirklich nur das Notwendigste und dazu gehört für mich natürlich die Bibel. Sie ist mir unterwegs wichtige Vergewisserung, Landkarte.

Für heute steht da der Predigttext aus dem 1. Korinther-Brief von Paulus. Etwas zum Fundament unseres Glaubens, zur Konsequenz der Auferstehung Christi. Dort heißt es:

Wenn die Hoffnung, die Christus uns gegeben hat, nicht über das Leben in der jetzigen Welt hinausreicht, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen. Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden, als Erstling derer, die entschlafen sind. Da nämlich durch einen Menschen der Tod kam, kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus auch alle zum Leben erweckt werden. Jeder aber an dem ihm gebührenden Platz: als Erstling Christus, dann die, die zu Christus gehören, wenn er kommt. Dann ist das Ende da, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergibt, wenn er alle Herrschaft, alle Gewalt und Macht zunichte gemacht hat. Denn er soll herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod vernichtet. Denn alles hat er ihm unterworfen, unter die Füße gelegt. Wenn es aber heißt: Alles ist ihm unterworfen, so ist klar: mit Ausnahme dessen, der ihm alles unterworfen hat. Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.

Wir sind unterwegs – irgendwo zwischen Mexico und Kanada und ich hatte morgens diesen Text von Paulus gelesen, trage ihn jetzt mit mir herum, denke nach.

Was es mir gerade leichter macht ist, dass ich in der guten Obhut meiner Schwestern und Brüder bin und wir eine tolle Führung haben. Weise Menschen, die diesen Weg schon ein paar Mal gegangen sind.

Ich bin eigentlich ganz guter Dinge heute, allerdings habe ich auch Muskelkater und der Weg ist anspruchsvoll und holprig, gerade ist es echt anstrengend, gefährlich und es ist auch noch sehr weit.

Die Hoffnung, die Christus uns gegeben hat schreibt Paulus, soll über das jetzige Leben hinausreichen. Wenn wir diese Hoffnung nicht haben, seien wir bedauernswert, dann unterschieden wir uns nicht von anderen schreibt Paulus – und für mich heißt dass:

Ja – es ist gerade ein gefährlicher und anstrengender Weg. Aber ich darf die Gewissheit haben, dass meine Hoffnung eine Antwort findet. Die Hoffnung, dass meine Blasen an den Füßen, meine geschundenen Knochen geheilt und alle anderen Gefahren dieses Weges, zur rechten Zeit durch Gott zunichte gemacht werden. Die Hoffnung, dass Gott mich aus allen Umwegen die ich laufe, wieder auf den richtigen Weg bringt. Zwar möglicherweise nicht dann, wenn ich das erwarte, aber gewiss dann, wenn es Gottes Wille ist.

Trotzdem – es ist gerade nicht einfach. Der aktuelle Teil der Strecke ist schwierig. Es ist abwechselnd kalt und heiß und wir müssen in unserer Gruppe untereinander großen Abstand halten, weil ausgerechnet jetzt ein gefährlicher Virus herumgeht und wir uns nicht gegenseitig anstecken wollen. Es ist da eine große Zuneigung und Solidarität untereinander, die wir aber körperlich nicht teilen können.

Ich gehe meines Weges, die anderen sind außer Reichweite, aber in Sichtweite und wir sind uns trotzdem nah.

Aber was mutet Gott uns gerade zu? Reichen die täglichen Mühen und Plagen nicht aus? Muss es jetzt auch noch so hart werden?

Ich denke an meine Eltern, die den zweiten Weltkrieg miterlebt haben. An meinen Vater, der auf der Flucht viel Leid erlebt hat.

Und da ist jetzt dieser Paulus, der die Auferweckung Christus ins Zentrum gestellt hat und in meiner ganzen Not, meinem Ärger und meiner Angst spüre ich, dass da bei mir Zweifel aufkommen, dass meine Hoffnung ins Wanken gerät. Auferstehung? Trotz all dieser Sorgen? Nach all diesen Schmerzen? Was ist das für ein Gott?

Ich gehe weiter. Mir kommt eine Bibelstelle in den Sinn. Sie spielt auf dem Berg Horeb: ein junger Viehhirte sieht in großer Entfernung einen brennenden Dornbusch und kann seine Neugier nicht zurückhalten. Er geht hin und hört eine Stimme, die ihn beim Namen ruft – Mose. Es entsteht ein Gespräch und die Stimme aus dem Dornbusch stellt sich vor:

Ich bin der Gott deines Vaters, sagt sie, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Mose bittet um mehr Gewissheit, er fragt Gott nach seinem Namen. Und Gott antwortet: Ich werde sein, der ich sein werde.

Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Alle drei Vorfahren der Israeliten, immer noch verbunden mit Gott wirken ihre Geschichten in Gottes Volk hinein, ihr Geist ist lebendig und dem Volk gegenwärtig durch den Gott, der ein Gott der Lebenden ist. Er ist da.

So getröstet kann ich mich auch in meiner Schwachheit diesem Text von Paulus wieder nähern, der uns lehrt, dass Christus auferweckt wurde, als Erstling derer, die entschlafen sind. Der uns lehrt, dass wir sterblich sind, aber durch Christus auch alle zum Leben erweckt werden. Durch den, der für uns die Tür zu Gott ist und aus dessen Auferweckung wir die Hoffnung entwickeln können, dass alles einen Sinn hat.

So vergehen die Wochen, Monate. Unterwegs ist es immer wieder auch sehr anstrengend, hart, gefährlich. Es sind nicht mehr alle dabei, ein paar sind ausgestiegen, weil sie zu schwach geworden sind und sich auskurieren mussten. Ich kann unterwegs die vielen wunderschönen Blicke, jedes tolle Erlebnis zutiefst genießen, ohne jedoch nicht auch jeden Schritt zu spüren und die Zurückgelassenen zu vermissen.

Und jetzt sind wir bald da. Vor uns liegt die kanadische Grenze, wir sind ganz dicht am Ziel.

Liebe Gemeinde,

Tatsächlich – dieser ganze lange Weg liegt hinter uns. Wüsten, Täler, Berge, Schnee, Eis und Geröll, liegen hinter uns. Durch Mückenschwärme und durchs Moor sind wir gegangen, immer wieder auch beschenkt durch wunderschöne Blicke, Begegnungen und Gedanken.

Auf diesen letzten Metern spüre ich keinen Triumph, noch nicht einmal wirklich Glück. Ich weiß um die schweren Zeiten des Weges, weiß um meine Sünden. Aber ich fühle mich unendlich getragen, tief verbunden mit den Schwestern und Brüdern, auch mit denen, die wir zurücklassen mussten.

Gott ist alles in allem. Im Schmerz, im Glück, in Begegnungen, im Leben. Wir sind am Ziel.

Er ist Auferstanden. Halleluja.