Gottesdienst zum letzten Sonntag nach Epiphanias zum Nachlesen und Hören

Hier können Sie den Gottesdienst anhören (Pfrin. Petra Fuhrhans, Oliver Vogeltanz (Orgel und Gesang):

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Predigt zum letzten Sonntag nach Epiphanias von Pfarrerin Petra Fuhrhans

Herr, gib, dass wir recht reden und hören. Amen

Predigttext: 2. Petrus 1, 16 – 21

16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
20 Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift aus eigener Auslegung geschieht.
21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben vom Heiligen Geist haben Menschen in Gottes Auftrag geredet.

Liebe Gemeinde,

es war eine anstrengende und dunkle Woche, wie fast alle in der letzten Zeit.

Immer noch Corona, immer noch Lockdown, immer noch Verzicht auf so Vieles, immer noch keine Normalität. – Was war das nochmal? Man vergisst es ja fast. – Zunehmend trübe Stimmungen, größere werdende Angst, wachsende Einsamkeit, Depressionen und Pessimismus.

Gespannt haben wir als Pfarrer*innen auf die Umsetzung der neuen Corona Regeln im kirchlichen Bereich gewartet und immer war da für mich und andere auch die Furcht, die Gottesdienste könnten wieder massiv eingeschränkt werden.

Viele Fragen haben wir uns als Kirche dabei gestellt: Was ist gut? Was ist sinnvoll? Was sollen wir tun? Was können wir verantworten? Was ist zu riskant? Wir wollen schließlich alles richtig machen und niemandem schaden.

Immer wieder sind die Entscheidungen durchdacht und auch in Frage gestellt worden, es wurde geplant und so manche Planung wurde auch wieder verworfen. Wir haben gerade viel zu überlegen, hier in der Gemeinde und in der Kirche an sich. Wir planen analog, digital, hybrid. Manches läuft weiter, anderes wird verändert, vieles wird neu gedacht.

Ach ja, „Kirche neu denken“, das ist das Schlagwort unserer Zeit, nicht erst seit Corona, aber Corona treibt es natürlich voran.

Hört sich irgendwie großartig an, oder? So bahnbrechend. „Kirche neu denken“. Aber eigentlich machen wir das schon seit Jahren, wenn nicht gar Jahrhunderten. Immer wieder wurde Kirche neu gedacht, und das ist auch gut so. Es ist wichtig, neue Ideen anzubringen, neue Medien zu nutzen, neue Wege zu gehen. Ich finde das prima.

Es besteht dabei allerdings die Gefahr, dass wir uns zu sehr um uns selbst drehen. Im Internet und bei Facebook tauchen viele neue Ideen auf.

Es gibt auch spannende Diskussionen. Wen erreichen wir eigentlich? Lohnt sich unsere Arbeit? Brauchen wir noch Gottesdienste? Wo müssen wir uns engagieren? Wie nutzen wir unsere Räume optimal aus? Wo können wir Geld akquirieren? Wie politisch dürfen bzw. müssen wir sein? Wo ist unser Platz in der Gesellschaft?

Da sind viele Fragen und viele Überlegungen und Ideen und Vorschläge. Sie treiben uns um, sie beschäftigen uns, sie rauben uns unsre Kraft und bringen uns nur bedingt weiter.

Ich denke, wir sollten uns um etwas ganz anderes kümmern und zunächst einer ganz anderen Frage nachgehen. Die entscheidende Frage in dieser Krisenzeit lautet: Wer ist eigentlich dieser Jesus, auf den wir unseren Glauben gründen?

Zugegebener Weise ist das keine neue Frage. Andere haben sie, besonders in Krisenzeiten, auch schon gestellt. Auch die Menschen zur Zeit des zweiten Petrusbriefes lebten in dunklen Zeiten. Als Christinnen und Christen bildeten sie nach wie vor eine Minderheit, lebten in rechtlicher Unsicherheit und mussten ständig mit Schikanen und Verfolgung durch den römischen Staat rechnen.

Das war aber noch das kleinere Problem. Viel schlimmer stand es mit dem Glauben. Die Zeit der Euphorie, als in Jerusalem die Gefährten Jesu noch lebten und Paulus das Evangelium in ganz Kleinasien verkündigte, liegt weit zurück. Mittlerweile hatte sich Ernüchterung breit gemacht: Die Wiederkunft Christi, mit welcher die ersten Christen noch zu Lebzeiten rechneten, blieb aus. Das Reich Gottes, welches Jesus verkündigt hatte, schien weit weg.

Nichts von Frieden und Freude, Freiheit und Gerechtigkeit, wo nicht mehr Mann und Frau, Sklavinnen und Herren, sondern nur noch Geschwister in Christus leben. Im Gegenteil: Rom war mächtiger als je zuvor und in den christlichen Gemeinden wurden statt des Evangeliums zunehmend menschliche Geschichten und Theorien verbreitet.

In dieser Zeit der Verdunkelung wollte und will der zweite Petrusbrief Mut und Orientierung vermitteln. Und er packt dies leidenschaftlich und pointiert an:

Nicht weil wir klug ausgedachten Mythen gefolgt sind, haben wir euch die Macht und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, sondern weil wir Augenzeugen seines majestätischen Wesens geworden sind.

Der Verfasser setzt sich ab von jenen, welche die Menschen mit ihren selbst erfundenen Mythen, Märchen und Theorien beschwatzen und nimmt für sich in Anspruch, Augenzeuge Jesu zu sein. Er ist schließlich ein Jünger Jesu und außerdem noch einer, der mit dem Meister besonders eng vertraut war.

Aber hier gibt es ein Problem. Wie gern würden wir das glauben, aber die historisch-kritische Forschung beweist mit erdrückender Deutlichkeit, dass der zweite Petrusbrief nicht vom Jünger Petrus geschrieben wurde und nun stellt sich die Frage, ob der Verfasser unseres Textes lügt, wenn er behauptet, er sei ein Augenzeuge?

In den folgenden Kapiteln legt der Verfasser selbst legt also offen, dass er und seine Leser in einer anderen Zeit leben als die ersten Christen. Wenn ihm wirklich daran gelegen gewesen wäre, sich als Petrus auszugeben, hätte er solche verräterischen Hinweise tunlichst vermieden.

Nein, der zweite Petrusbrief will uns nichts vorgaukeln. Der Verfasser will aber, seinen Zeitgenossen und uns allen, die an einem dunklen Ort sind, den Zugang zum Glauben neu öffnen. Dazu versetzt er sich in den Augenzeugen Petrus, nicht um uns über das Wesen Jesu zu belehren, sondern um uns alle zu Augenzeuginnen und Augenzeugen zu machen.

In Abgrenzung zur Umwelt wird deutlich: Christlicher Glaube lebt nicht von Mythen. Er kommt aus dem Sehen und Hören. So sagt Jesus seinen Jüngern: „Selig eure Augen, weil sie sehen und eure Ohren, weil sie hören.“ Mt. 13,16

Zu der Zeit, als der zweite Petrusbrief entsteht, liegen die direkten Begegnungen mit Jesus schon fast 100 Jahre zurück und doch nimmt der Verfasser die Gemeinde mit zu den Ursprüngen ihres Glauben.

Heute ist der Graben der Zeit noch viel tiefer, fast 2000 Jahre. Und doch: Der zweite Petrusbrief will uns helfen, diesen Graben zu überwinden und lädt uns ein, mit ihm zu zusammen zu sehen und zu hören, was es mit Jesus auf sich hat. So nimmt er uns mit auf eine Reise zurück in die Zeit des irdischen Jesus. Dazu wählt er eine Schlüsselgeschichte, die besonders geeignet ist, uns zu sehen und hören zu lassen, wer Jesus ist, damit sein Licht leuchtet in unserer Dunkelheit und sein Morgenstern aufgeht in unseren Herzen.

Zusammen mit Jesus, mit Petrus, Jakobus und Johannes steigen wir auf den Berg. Auf dem Gipfel sehen wir, wie Jesus vor uns verwandelt wird; sein Angesicht strahlt wie die Sonne, und seine Kleider werden weiß wie das Licht. Wir sehen Mose und Elija, die mit Jesus reden. Und wir hören die Stimme aus der Wolke, die spricht: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Auf ihn sollt ihr hören! Jesus – der Sohn Gottes, der Messias, welcher das, was Mose und Elija begonnen haben, vollendet, das Volk Gottes neu sammelt und die Heilsgeschichte zum Ziel führt. Ein Gipfelerlebnis, wo alles klar ist, reiner, ungetrübter Sonnenschein.

Gezielt wählt der zweite Petrusbrief den Höhepunkt des irdischen Wegs Jesu, um uns in unserer Dunkelheit Mut zu machen. Einen Moment lang ist alles strahlend hell und sonnenklar: Doch dieser Augenblick darf nicht verweilen. Das müssen Petrus, Jakobus und Johannes – und mit ihnen wir alle – bitter erfahren. Jesus steigt mit den dreien vom hohen Berg hinab, zurück in die Tiefe, zurück in den mühsamen Alltag, wo sie sofort mit ihren Grenzen und den Folgen ihres Kleinglaubens konfrontiert werden.

Auch der zweite Petrusbrief verharrt nicht auf dem heiligen, erhabenen Berg. Er schreibt: „Eine umso festere Grundlage haben wir im prophetischen Wort, und ihr tut gut daran, darauf zu achten, wie auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint.“

Elija und Mose sind nicht einfach Vergangenheit. Jesus als Sohn Gottes verstehen wir nur auf der Grundlage dessen, was die prophetischen Schriften bezeugen.

Wahrer Mensch und wahrer Gott. Jesus wird erst der Sohn Gottes, weil er zugleich wahrer Mensch ist und sich der Dunkelheit der Welt, dem Leiden, dem Schmerz, der Verzweiflung und dem Tod aussetzt.

Der zweite Petrusbrief will uns zum Sehen und Hören von Herzen führen, zum Gleichzeitig-Werden mit Jesus und seinem Weg, nicht nur auf dem hohen Berg der

Verklärung, sondern auch in der Tiefe, im Dunkeln, in Zeiten von Ratlosigkeit und existentiellen Krisen.

Gerade damit wird unser Glaube mehr als das Fürwahrhalten eines klug ausgedachten Mythos. Er wird zur Kraft, die aus dem Sehen und Hören kommt, zur Hoffnung, die aus der persönlichen Beziehung zum Sohn Gottes erwächst, der für uns und mit uns bis in die tiefste Tiefe geht – um hier, am dunklen Ort, sein Licht, den Morgenstern aufgehen zu lassen.

Nichts weniger als die Macht und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus will uns der zweite Petrusbrief kundtun. Und er zieht dabei alle Register, vom hohen Berg bis zur finsteren Tiefe.

Das tut er für die Menschen damals und für uns. Damals half er den Menschen die schwere Zeit der Christenverfolgung zu überstehen.

Und heute? Wir leben in düsteren Zeiten; nicht nur wegen Corona, sondern, weil die Kirche immer mehr an Bedeutung verliert, weil immer mehr Menschen austreten, weil wir uns darauf einstellen müssen, in absehbarer Zeit eine Minderheit zu sein wie zur Zeit des zweiten Petrusbriefs.

Ein Grund zur Hoffnungslosigkeit ist das nicht. Wie sich in der Vergangenheit wiederholt zeigte, können solche dunklen Zeiten der Ungewissheit und Verunsicherung eine Chance sein.

Genau da, wo wir von uns aus nicht mehr weitersehen, können wir neu Augenzeuginnen und Augenzeugen von Jesus Christus werden. Wir schauen nicht mehr auf unsere eigenen Möglichkeiten, Konzepte, Geschichten und Pläne, sondern auf Jesus allein, damit er kommt und seine Macht gerade da erweist, wo wir schwach sind.

Nutzen wir die Chancen, die uns das Licht bietet.

Er kann uns beflügeln, um sein Evangelium in die Welt zu tragen, die gute Geschichte der Liebe und Vergebung Gottes, die allen Menschen gilt.

Und wird uns ermächtigen, an seinem Reich mitzubauen, dem Reich des Friedens zwischen Gott und den Völkern.

Und er wird seine Kirche tragen, auch durch diese Zeit.

Wir haben immer noch viel zu tun, aber wir sind nicht allein und wir müssen es auch nicht allein schaffen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Hier gibt es die gesamte Liturgie zum Nachlesen.