Gottesdienst vom 3. Advent mit Vikar Rudolf Heiligenthal zum Lesen und Hören.

Hier können Sie den Gottesdienst vom 3. Advent aus der Markuskirche Kassel mit Vikar Rudolf Heiligenthal, Kantor Juergen Bonn, sowie Ina Biesewig (Flöte) und Felix Krämer (Cello) hören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Hier können Sie die Predigt von Vikar Rudolf Heiligenthal nachlesen:

Predigt für den 3. Advent 2021, von Vikar Rudolf Heiligenthal

Predigttext: 1.Kor 4,1-5 Haushalter über Gottes Geheimnisse 

     [1] Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.  [2] Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.  [3] Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht.  [4] Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet.  [5] Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt!

Der Advent ist eine seltsame Zeit. Er steht am Anfang des Kirchenjahres und gehört doch irgendwie nicht richtig dazu. Jesus ist noch nicht geboren. Wir sind hin und her gerissen zwischen freudiger Erwartung und einem Gefühl des Fernseins. Der Advent ist traditionell eine Zeit der Buße. Wir bereiten uns vor auf das Geborenwerden des Kindes in der Krippe. Wie jede bevorstehende Gottesbegegnung braucht es auch dafür innere Einkehr, Klärung und Ruhe.

Nur – wir wissen ja, dass das Kind geboren wird – weil es ja schon geboren wurde. Weil es aufwuchs und wurde zu dem Mann, der am Kreuz gestorben ist und am dritten Tage auferstanden ist von den Toten. Das ist das, was war und was wir erinnern, jedes Jahr aufs Neue.

Dahinter steht gleichsam immer die Hoffnung auf die Wiederkehr Christi: Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Das bleibt er uns schuldig, seit bald 2000 Jahren.

Zwei Seiten hat der Advent, zwei Seiten einer Medaille: Wir warten auf die Ankunft Gottes und spüren, dass er eben noch nicht da ist. Andererseits wissen wir, dass er ja schon längst gekommen ist, damals vor 2000 Jahren. Deshalb warten wir mit Freude. Das ist paradoxe christliche Existenz.

Da ist es schon sehr schlau von Paulus zu sagen: Richtet mich nicht. Ich weiß, dass ich auf der richtigen Seite stehe. Christus wird es zeigen, wenn er denn wiederkommt. Und wenn er mich nicht für gerecht erklärt, wird er seine Gründe haben.

Der erste Gedanke zu diesem Predigttext war: Oh nein, nicht schon wieder ein Gerichtstext! Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass es gerade kein Gerichtstext ist. Paulus löst hier ein paar Dinge sehr geschickt.

Aber der Reihe nach. Paulus hat seine Gemeinde in Korinth gegründet und steht als spirituelle Instanz auch weiterhin mit ihr in Kontakt, per Brief. Das war im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung so üblich. Der Apostel diktiert diese gemäß den damaligen Gepflogenheiten und lässt sie von einem Boten seines Vertrauens entlang der gut ausgebauten Handelswege des Römischen Reiches an ihre Bestimmungsorte bringen.

Paulus hat gute Gründe, seine Briefe zu schreiben, besonders die nach Korinth. Es geht um Fragen der Ehe, der jungen Frauen, der Geistgaben, des Essens von Götzenopferfleisch und anderem. Vor allem geht es aber um Paulus Konkurrenten. Zu dieser Zeit gibt es zahlreiche Wanderprediger, Charismatiker und Propheten. Und Paulus ist wahrlich nicht der einzige, der im Namen Jesu auf Missionsreise geht. Paulus greift die Konkurrenz an. Er hat Angst, dass man ihm die Früchte seiner Mission, die Gemeinde in Korinth streitig macht. Dafür muss er seine eigene Autorität legitimieren.

Ich bin ein treuer Haushalter Gottes. Diese Rolle fülle ich aus, von morgens bis abends. Ich kenne alle seine Geheimnisse. Auf sie bin ich ausgerichtet. Sie sind der Grund für mein Tun. Immer.

Ich bin ein treuer Diener Gottes. Diese Rolle fülle ich aus, Tag und Nacht. Ich kenne alle seine Geheimnisse. Auf sie bin ich ausgerichtet. Sie sind der Grund für mein Tun. Immer.

Meine Motive könnt ihr nicht durchschauen. Ihr seht nur, was ich tue. Seid sicher, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen handele. Und richtet mich nicht. Es wäre mir auch egal. Denn es kommt der, der unsere Motive kennt, wenn wir zu seiner linken und zu seiner rechten stehen. Er ist es, der richtet.

Dieser Text ist kein Gerichtstext! Der Text ist auch nicht besonders theologisch gehaltvoll. In erster Linie ist er ein Baustein in der Argumentationskette des Apostels, der die Gemeinde in Korinth auf Linie bringen will und seine untergrabene Autorität wiederherstellen möchte.

Dieser Text ist selbstverständlich trotzdem theologisch interessant. Und auch das Gericht spielt dabei eine zentrale Rolle, wenn auch etwas anders als gedacht. Paulus verweist darauf mit bemerkenswertem Optimismus. Für ihn wie auch alle Christen dieser Zeit war die Wiederkehr Jesu zu ihren Lebzeiten erst noch eine feste Erwartung. In dem damit einhergehenden Gericht geht er ganz nonchalant davon aus, auf der richtigen Seite zu stehen. (Denn das Urteil ist ja in jedem Fall angemessen, selbst wenn er eben nicht für gerecht befunden werden sollte. Und was Paulus ja natürlich auch nicht glaubt! Sonst könnte er sich die ganze Sache ja auch sparen…)

Paulus vertritt an dieser Stelle, wie auch die Bibel im Allgemeinen, keine Vertröstung auf das Jenseits. Sowohl in der hebräischen Bibel als auch im Neuen Testament geht es immer um diese Welt, in der wir jetzt leben. Die hebräische Bibel erwartet den Messias in einer Form der präsentischen Gottesherrschaft in dieser Welt. Ihre Kernbotschaft ist keine Vertröstung auf ein kommendes Leben, auf das wir warten und die Luft anhalten. Juden, wie es ja auch viele der ersten Christen waren, leben ihr Leben in einer Grundhaltung des Wartens, ohne den konkreten Zeitpunkt des göttlichen Eingreifens in unsere Realität bestimmen zu wollen.

Jesus predigt vom Reich Gottes, das hier, in dieser Welt, bei uns, anbricht und groß wird. Gottes Eingreifen soll in unserer Welt großwerden und sie verändern. Es hat eine Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten stattgefunden, die durchaus auch schon mit Paulus beginnt: Das Christentum wird zu einer Erlösungsreligion, die von der Befreiung von Schuld und Sünde in einem besseren Jenseits spricht. Aber Jesus predigt die Hoffnung eines heilsamen Eingreifen Gottes in unsere Welt, im Hier und Jetzt. Es geht um Befreiung, um Heimkehr aus der Fremde, um eine sichere und gesicherte Heimat. 

Paulus lässt in unserem Predigttext diese eine Seite der Adventsmedaille leuchten: Christus ist gekommen. Und er hat diese Welt bereits verändert. Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten und einen hellen Schein geben in unsere Herzen zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht, schreibt Paulus an anderer Stelle. Das ist der feste Grund für sein Handeln. Seine unerschütterliche Hoffnung auf die Wiederkehr Christi am Jüngsten Tag, die verbürgt ist durch Kreuz und Auferstehung. Christus ist die Erfüllung der Verheißung Gottes an sein Volk. Das lässt ihn, Paulus, mit Gleichmut auf das Geschehen blicken. Denn er weiß, dass er im Recht ist. Und er weiß, dass Gott diese Welt zum Guten wandeln wird, selbst wenn er im Unrecht wäre.

Uns ist das Evangelium verkündigt und wir können in Christi Gesicht schauen, jeden Tag aufs Neue, und uns auf seine Ankunft freuen! Uns ist bange, aber wir verzagen nicht, denn wo Platz für das Evangelium ist, ist auch Platz für Hoffnung. Gott ist Mensch geworden und hat menschlich gehandelt. Ich habe die Hoffnung, dass auch die Menschen Menschlichkeit entdecken.

Paulus sorgt sich um die Anerkennung seines Handelns. Er beruft sich auf die künftige Legitimation seines Tuns, wenn Christus wiederkehrt. Bis dahin bleiben ihm nur seine Taten im Namen Jesu Christi für die Gemeinde in Korinth, während alle Welt auf dessen Wiederkehr wartet.

Wir müssen gerade auf vieles verzichten. Gemeinschaft ist schwer möglich. Das nimmt oft die Lust am Feiern. Nicht mal das Singen unserer liebsten Advents- und Weihnachtslieder hat der Vikar wegen der Pandemie erlaubt. Richtet mich nicht… Vieles von dem, was für uns den Advent ausmacht, ist uns abhanden gekommen. Da bleiben uns nur die Taten, die wir als Christen für richtig halten, während wir warten auf die Geburt des Kindes in der Krippe und die Hoffnung auf den wachsenden Bereich Gottes in unserem Leben.

Das wäre schön auf etwas hoffen zu können

was das Leben lichter macht und leichter das Herz

das gebrochene ängstliche

und dann den Mut haben die Türen weit aufzumachen

und die Ohren und die Augen und auch den Mund

nicht länger verschließen. – 

Das wäre schön

wenn am Horizont Schiffe auftauchten

eins nach dem anderen beladen mit Hoffnungsbrot bis an den Rand

das mehr wird immer mehr

durch Teilen. – 

Das wäre schön

wenn Gott nicht aufhörte zu träumen in uns

vom vollen Leben einer Zukunft für alle

und wenn dann der Himmel aufreißen würde ganz plötzlich

neue Wege sich auftun hinter dem Horizont

das wäre schön.

(Carola Moosbach: Advent vielleicht)

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen in Christus Jesus, Amen.

Wir wünschen Ihnen allen einen gesegneten 3. Advent!