Gottesdienst vom 26.09.2021 zum Lesen und Hören

Hier können Sie den Gottesdienst vom 26.09.2021 aus der Markuskirche Kassel mit Pfr. Till Jansen, Kantor Juergen Bonn und Akkordeonspieler Markus Gellrich anhören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Hier können Sie die Predigt nachlesen:

Predigt von Pfr. Till Jansen:

Liebe Gemeinde, ich bitte Sie herzlich, sich auf ein kleines Experiment einzulassen. 

Hören Sie doch einmal für eine kurze Zeit genau hin. In dieser Zeit wird Stille nur durch wenige Sätze unterbrochen. 

Sie, die Sie die Predigt hier lesen, können natürlich einfach selbst die Sätze laut lesen und sich jeweils 20 Sekunden Zeit zwischen den Sätzen lassen. 

(20 Sekunden Stille)

Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.

(20 Sekunden Stille)

Wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden. 

(20 sekunden Stille)

Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!

(20 sekunden Stille)

Wie erging es Ihnen mit dem Hören oder Lesen? Spüren Sie kurz einmal nach, jeder und jede für sich.  

Kam die Zeit Ihnen lang vor oder kurz? 

Was haben Sie alles gehört: Die Vögel draussen, Autos, Rauschen und Knacken, das eigene Atmen? 

Waren Sie bereit für die Sätze, die Sie gehört haben oder flogen sie trotz der Ruhe zu schnell vorbei? 

Haben die Sätze etwas in ihnen ausgelöst? 

So in etwa stelle ich mir es vor, wenn jemand sagt: Ich bin ganz Ohr. Das ist gar nicht so einfach, ganz Ohr zu sein. Oft regt sich sofort eine Antwort oder ein Kommentar auf das Gehörte. Dann ist es schwer, Stille auszuhalten, Ohr zu bleiben. 

Dabei ist die erste Antwort und der erste Kommentar eben nur die erste Antwort und der erste Kommentar. Wer wartet, bei dem stellt sich vielleicht auch eine Zweite ein. 

Unsere Ohren sind erstaunlich Organe. Wenn wir den ganzen Tag das Radio laufen lassen, hören wir nicht wirklich hin, aber wenn das Lieblingslied kommt, merken wir es trotzdem. Wenn sich eine Gefahr nähert, wird das Gehirn aufmerksam gemacht, obwohl wir vielleicht in Gedanken ganz woanders waren. Wir hören das Bekannte oder Beliebte, wir hören das allerwichtigste zum Überleben, aber vielleicht nicht das andere und das neue. Und schon gar nicht hören wir in uns hinein, was da eigentlich erklingt. Mal abgesehen von den Dingen, bei denen wir die Ohren verschließen. Trotz viel Wirbels haben viele Menschen von der Klimakrise nichts gehört, oder lassen sich davon nicht berühren.

Unsere Ohren sind die ganze Zeit über auf Empfang. Aber selten hören wir wirklich bewußt hin, ausser wenn Herr Gellrich oder Herr Bonn spielen vielleicht. 

Ganz Ohr sein, das heißt nicht nur, dass man hinhört, sondern auch, dass man nachspürt, was der Klang in der Musik, was die gehörten Worte mit einem machen, was sie in einem auslösen an Gefühlen, an Nachdenklichkeit, an Fragen. 

Isaak der Syrer hat vor 1600 Jahren, als die Welt bedeutend stiller war als heute, den nachdenkenswerten Satz gesagt: „Sprache ist das Organ dieser Welt.

Schweigen das Geheimnis der Künftigen.“

Wenn wir jetzt also auf den Predigttext hören aus dem Römerbrief, dann achten Sie doch einmal darauf, wo vom Reden und wo vom Hören die Rede ist. Vielleicht geht es Ihnen dann ja wie bei der Frage mit dem Huhn und dem Ei: Was kommt zuerst? Das Hören? oder das Reden?

Paulus schreibt: 

Römer 10, 9-17

„Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. 10 Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. 11 Denn die Schrift spricht (Jesaja 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« 12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. 13 Denn »wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden« (Joel 3,5). 14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? 15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«

16 Aber nicht alle waren dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubte unserm Predigen?« 17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“

Liebe Gemeinde, 

„Dem Evangelium Gehorsam sein.“ Mit diesem Satz fühlen wir uns wahrscheinlich nicht besonders wohl. Gehorsam hat zumindest in unserem Land doch eine etwas problematische Konnotation. 

Gehorsam lässt sich aber im Wortstamm auf das „Hören“ zurückführen. Gehorsam heisst eigentlich: Nach dem Hören handeln. Das sind ja nicht automatisch Befehle.

Das Evangelium ist kein Befehl. 

  »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«. 

»Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«

»wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden«. 

Diese Sätze des Alten Testaments zitiert Paulus als das Evanglium. Es sind Zusagen: Das Gute wird verkündet. Der Glaube, der vom Hören kommt,  hilft. Du kannst dich in aller Not im Gebet an Gott wenden, du kannst dich in allen Zweifeln auf Christus berufen und er verspricht Seligkeit. Du schaffst dein Heil, dein Ganz-Sein nicht selbst – es wird dir geschenkt. In diesem ganzen Abschnitt bei Paulus gehen diese Worte fast unter in Argumentation und Analyse. 

Die brauchen wir ja auch, um reflektiert über den Glauben zu reden, aber ich vermute, dass der Glaube nicht aus langen und komplizierten Abhandlungen erwächst, sondern oft aus einem kurzen Wort, das in uns Gehör und Anklang findet. Ein sehr trauriger Mensch in einer sehr verzweifelten Lage stellte mir vor kurzem die Frage: „Woher bekommen wir Trost? Und er antwortete gleich selbst: Von Mensch zu Mensch – in einem guten Wort. Recht hat er. 

So lassen wir uns im Hören ein auf das Wort Christi – in einer Lesung, in einer Predigt, in einem guten Wort oder einem Lied, ja selbst in Musik, die unser Herz erreicht. Und was uns trägt, geben wir weiter – von Mensch zu Mensch. 

Und darin ereignet sich etwas göttliches. 

Und der Friede Gottes, der höher ist alle unsere Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. 

Amen