Gottesdienst vom 25. April 2021 (Jubilate) zum Hören und Lesen.

Hier können Sie den Gottesdienst aus der Markuskirche mit Pfrin. Irmhild Ohlwein und Kantor Juergen Bonn anhören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Hier können Sie die Predigt lesen:

Predigt Apg. 18, 22-34

Gnade sei mit Euch, und viel Barmherzigkeit und Frieden und Liebe. Amen!

I.

„Ostern kommt der Osterhase, und Weihnachten der Weihnachtsmann“.
Diese Bilder und das dazugehörige Brauchtum sind weit verbreitet, liebe Gemeinde!
Ich zucke dann immer wieder zusammen. Es schmerzt mich, dass die Bedeutung und das Mitvollziehen der christlichen Feste immer mehr in den Hintergrund zu geraten scheinen.

Aber halt!
Was würde eigentlich ich denken über Ostern und Weihnachten, wenn ich nicht in einer kirchlich engagierten Familie aufgewachsen wäre und drumherum in der christlich geprägten westlichen Welt?
Hätte ich meinen Glauben, wenn ich nicht an und mit anderen erfahren hätte, welche Kraft und Zuversicht aus dem Glauben wachsen?Wenn nicht andere ein Ohr gehabt hätten für meine Anfragen und Zweifel am Glauben?

Wie haben Sie den christlichen Glauben kennengelernt, liebe Gemeinde? Sind Sie durch die Familie, Vorbilder, Ereignisse damit in Berührung gekommen?

Dass Menschen vom christlichen Glauben wissen oder gar selbst glaubend sind, ist ganz und gar nicht selbstverständlich.
Glaube wird weitergegeben, erzählt, vorgelebt, manchmal gefunden, mitunter auch verloren. Manche haben von Bibel und Christentum nicht viel gehört und so auch nichts davon zu erzählen; andere stehen distanziert oder ganz und gar kritisch dazu.

Und auch mit dem Glauben selbst ist es ja nicht so leicht. Wie ist das vorzustellen, dass an Weihnachten Gott Mensch wurde und dass an Ostern die Auferstehung Jesu geschehen ist, die auch allen anderen verheißen wird. Da sind der Osterhase und der Weihnachtsmann schon gegenständlicher und vorstellbarer.

II.

Aber, liebe Gemeinde, der christliche Glaube ist nie selbst-verständlich gewesen, suchte immer nach Plausibilität, von Anfang an. Er traf immer schon auf Glaubensvorstellungen anderer Art oder Unglauben, er fand Interesse oder wurde belächelt, weckte Anhänger oder Verfolger.

Von Beginn an war das so. Die Geschichte von Paulus bei den Athenern erzählt davon und ist der heutige Predigttext in Apg. 17, 22-34.
Sie berichtet, wie Paulus in Athen eine Rede hält auf dem sog. Areopag, einem Platz unterhalb der Akropolis. Dort wurde traditionell Gericht gehalten vom athenischen Rat oder auch öffentliche Anhörungen veranstaltet, wie diese, von der wir hören.

Paulus ist auf der zweiten Missionsreise durch Griechenland in Athen angekommen, einer der bedeutendsten Städte der Antike.
Aus dieser Stadt waren Helden hervorgegangen, die in die Geschichte eingingen. Alexander der Große, Herakles und Herkules.

Zudem war Athen auch ein Ort der Wissenschaft. Hier gab es unterschiedliche Philosophenschulen, in denen auch Mathematik und Naturwissenschaften gelehrt wurden. Man dachte und forschte viel über die Zusammenhänge des Lebens und der Welt und was ihr übergeordnet war.
Mit diesem Glanz war Athen sich selbst genug.

Auch innerlich glänzte die Stadt. Überall standen Statuen, Götterbilder und Tempel. Unterschiedlich zuständige Götter wurden hier verehrt und heldenhafte Menschen. Auch der römische Kaiser ließ sich als Gottheit verehren. Es herrschte sogar die Auffassung, dass die menschliche Seele göttlich sein sollte.
Die Götter des Olymps waren Schutzmächte dieses Systems, in dem Freie über Sklaven stehen, Männer über Frauen, Eingesessene über Zugewanderten.

Heute gibt es Anderes, dem Leute dienen und an das sie sich binden. Und Respektlosigkeit Chancenungleichheit und Selbstbezogenheit gibt es gleichfalls.
Als solche wirkte die Aktion „#allesdicht“ auf mich, einer Videobotschaft von Prominenten, in der sie die Pandemiemaßnahmen karikieren. Saturiert sitzen sie in ihren Wohnzimmern und veralbern die Situation, während Verantwortliche um Lösungen oder als Betroffene um ihr Leben ringen. Einer bläst in eine Papiertüte, so als wären alle Maßnahmen „heiße Luft“, während an Covid Erkrankte gerade um Luft ringen.

Nach Paulus sind Ungleichheit, Unterwerfung, Hohn und Götzenkult Vergehen an dem einen Gott, dem sich alles, jedes Menschenleben verdankt und dem die Menschen verantwortlich sind.
Auf dem Marktplatz in Athen predigte er dagegen, von dem Schöpfer und Herrn der Welt, der alles Menschenmögliche übersteigt. Und er erzählt von Jesus und von seiner Auferstehung, was die Athener sich wie ein Götterpaar vorstellten: den Gott „Jesus“ und seine Frau, Göttin „Auferstehung“.

Das war neu, und neugierig, wie es die Athener waren, holen Sie Paulus zum Areopag. Wo Paulus Folgendes darlegt. Keine leichte Kost, ist die Rede, aufgebaut nach damals üblichem Vorbild akademischer Reden und in rhetorischer Kunst. Lesung Apg. 17, 22- 34:

22 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach:
Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Denn ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darinnen ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27 dass sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. 29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. 30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er richten will den Erdkreis mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat. 32 Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören. 33 So ging Paulus weg aus ihrer Mitte. 34 Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

III.

Mich beeindruckt, was Paulus da tut.
Zum einen sein Mut, denn seine Verkündigung hätte ihm den Tod einbringen können oder wenigstens Gefängnis. Da hatte er ja gerade erst gesessen in Rom. Seine Botschaft nämlich enthielt Sprengstoff für das politisch-religiöse System.
Besonders seine Rede von „Auferstehung“ war anstößig und riskant.
Die Leute belächelten ihn deswegen, wandten sich ab und wollten das Gespräch lieber vertagen. Hier wurde es zu heiß.
Eine Auferstehung nach dem Tod wurde zwar nicht geleugnet. Wer aber an die Auferstehung Jesu glaubte, schwächte damit die Macht der römischen Herrscher. Denn wer an eine Auferstehung glaubt, fürchtet selbst den Tod nicht mehr oder nicht mehr so sehr und kann nicht mit Androhung von Gewalt und Tod bezwungen werden.

Zum anderen beeindruckt mich, wie sich Paulus auf die Menschen, denen er mit seinem Glauben gegenübersteht, bezieht.
Während ich mich durch Vorstellungen oder mir fremde Glaubensvorstellungen herausgefordert oder vielleicht selbst verunsichert fühle, sehe ich hier, dass Paulus die Athener in ihren Vorstellungen und Einstellungen ganz ernst nimmt. Er entwertet sie nicht, sondern geht mit ihnen in eine gemeinsame Suchbewegung.

Er erkennt in ihrem Götterglauben den Wunsch, Einfluss zu nehmen auf das Leben, ja auf einen möglichen Gott selbst. Er ahnt etwas von ihrer Sehnsucht, durch etwas Größeres gehalten zu sein. Und er sieht ihre Angst vor dem, was zuletzt unverfügbar ist.
Deswegen haben die Athener Büger:innen und Gelehrte sicherheitshalber noch einen Tempel gebaut, falls sie irgendeinen Gott vergessen haben sollten. „Dem unbekannten Gott“! weihen sie diesen.

Darauf baut Paulus auf.
Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das ist der Gott, den ich euch verkündige, sagt er. Der hat die Welt und alles in ihr gemacht und herrscht über Himmel und Erde.
Deshalb wohnt er nicht in von Händen gemachten Tempeln und lässt sich auch nicht von Menschenhänden versorgen. Das müsst und sollt ihr also nicht machen. Gott ist nicht zu lenken. Er gibt das Leben, den Atem und alles
Und er selbst ist es ist, der unser Suchen und Fühlen nach ihm weckt. Jedem und jeder ist er nah. Denn in Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir.
Geschickt und klug ist das, was Paulus da macht. Der Vorstellung, dass die Athener etwas Göttliches haben, gibt er einen anderen Dreh. Sie haben etwas von Gott, weil sie als Geschöpfe aus Gottes Odem leben, an ihnen ist aber nichts Göttliches.
Und Paulus geht noch ein wenig über die Einigkeit mit den Athenern hinaus.
Alle Menschen, sind aus einem Geschlecht, d. h. von einem Blut, und das heißt, in allen Unterschiedlichkeiten doch gleichwertig.
Das aber verpflichtet, sich gleichfalls gerecht einander gegenüber zu verhalten.
Denn wenn wir aus dem Leben Gottes leben, dann können wir nicht das Leben mit Füßen treten, andere abwerten oder unterwerfen. Sondern dann ist das ein Leben in Gemeinschaft, in Fürsorge in Hingabe.
Ja gerade am Umgang mit anderen, vor allem mit leidenden Menschen zeigt sich, wie es um unser Verhältnis zu Gott steht.
Deswegen zeigt Gott sich ausgerechnet in dem Leben und dem Leiden Jesu, durch das sich die „Tür zu einer neuen Welt“ geöffnet hat.

IV.

Mut, für den Glauben zu stehen und danach zu leben. Und Gelegenheiten wahrnehmen darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen, auch ohne anderen eine latente Religiosität zu unterstellen, so hat der christliche Glaube eine Chance, bekannt und sogar wirksam zu werden.
Einander achten und sich nacheinander erkundigen, so kann eine Tür aufgehen zum Anderen und zur Gemeinschaft der Geschöpfe.

Ich würde gerne ins Gespräch kommen mit jenen Initaiator:innen von „#allesdicht“.
Ich würde gerne verstehen, was hinter ihrem Zynismus steckt. Kann sein, sie leiden unter dem Kontaktverbot, darunter, als Künstler:innen nicht wirken zu können; vielleicht vermissen sie ihr Publikum, das sie belebt, fühlen sich selber so, als ginge ihnen die Luft aus.

Das zu erfahren, würde uns nebeneinanderstellen und gerade die Gemeinschaft stärken in den gegenwärtigen Zeiten der Sorge und Einsamkeiten.

Mut, vom Glauben zu erzählen und in den Spuren Jesu hingebungsvoll, einsatzbereit zu leben.
Und damit bin ich wieder beim Anfang.
Wir lebten nicht im christlichen Abendland, wenn nicht die Apostelinnen und Apostel wie Paulus aus dem Nahen Osten nach Europa gekommen wären.

Wir gehörten wohl nicht zur christlichen Gemeinde, wenn wir nicht vor allem durch andere damit in Berührung gekommen wären.
Wir hätten kein kirchliches Leben, wenn nicht Menschen bereit wären, Kirchensteuern und – beiträge dafür zu zahlen.

Wir säßen nicht hier, wenn es nicht Menschen gäbe, die sich hauptamtlich und vor allem ehrenamtlich für das Gemeindeleben einsetzen.
Was wäre, wenn es nicht Menschen gäbe, die aus ihrem Glauben heraus Zivilcourage entwickelt hätten und gegen Rassismus und ungerechte Lebensumstände aufgestanden wären, wie z. B. Martin Luther King und viele Namenslose.

Und wieviel mehr Not gäbe es noch, wenn nicht auch Christinnen und Christen in dieser Stadt, in unserem Land und rund um die Welt für Menschen in leidvollen Situationen einsetzten, manchmal unter Einsatz ihres Lebens.
So wirkt die Glaubenshoffnung in den Herzen und auf der Erde. Jubilate! Jubelt!

Amen

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus! Amen!