Gottesdienst vom 17. Januar 2021 zum Lesen und Anhören

Hier können Sie den Gottesdienst zum Thema „Arbeit“ vom 17. Januar 2021 aus der Markuskirche mit Pfr. Jansen und Lutz Geydan lesen und (ab 13.00 Uhr) anhören.

Eingangsliturgie
Lesung und Predigt
Ausgangsliturgie

Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias – Zum Thema: Arbeit

Pfr. Till Jansen und Lutz Geydan

Ein Text von Quichotte —> http://quichotte.net

Der Garten – eine Geschichte zum Thema Arbeit und Entfremdung

Ich erinnere noch gut, den allerersten Spatenstich. Bis dato war dort nur ein Grund, der wenig einem Garten glich. Ich fragte mich, wie lang es dauern würde, bis dort Pflanzen stehen und begann nun tagelang von Hand, das Land zu drehen. Erst ein Acker, dann ein Feld, ein Beet, bereits schön anzusehen. Die Hände rissig, doch sie schmerzten Abends immer angenehm. Bis die Saat in Furchen ging, vergingen ein paar Wochen, die Sonne war zu Kraft gekommen, mein Wille ungebrochen. Ich begoss den Garten Nachts und düngte ihn bei Tageslicht, saß beseelt im Schweiße da, mich plagte diese Arbeit nicht. Und schließlich stieß sich dort ein Keim den Weg durch seine Erde frei, ich fühlte wie ein Vater mich, als wohnt’ ich dem Gebären bei. Tags darauf erklomm ein Sproß die Bohnenstange, wuchs empor und wurde zur Spirale, die beim Klettern nie den Mut verlor. Das Dach für die Tomaten hat im Sonnenlichte sie geschützt und ich stand mit dem Spaten da, die Hände auf den Stiel gestützt. Es hat mir dann der Hackenschlag ein bisschen doch mein Herz entzweit, als ich die Frucht dem Boden nahm und sauber strich, zur Erntezeit. Jedoch der Tisch war reich gedeckt, für Wochen und der Arbeit Lohn, Gemüse aus dem Garten, das uns schmeckte und den Magen schont.

Es trug sich dann im Herbste zu, als ich erneut zum Graben schritt, da seh’ ich einen feinen Herrn, der forsch in meinen Garten tritt: „Wie wäre es,“ so holt er aus, „ich kaufte ihre Hacke und würde sie auch reparieren, hätt’ sie eine Macke. Einzig dafür gäben sie mir jährlich einen Teil der Ernte und ich böte diesen auf dem Markte feil.“ Ich konnte keinen Nachteil sehen und willigte dem Handel ein, bekäm’ ich doch ein neues Werkzeug, sollte es zuschanden sein. Es verging ein Jahr und jener Freunde hielt sein Wort. Ich gab ihm 10% Ertrag, den trug er dann zum Markte fort, bis schließlich, es war wieder Herbst,

 er neuerdings zum Garten trat, doch nicht nur um zu sehen welchen großen Dienst sein Spaten tat. Er sprach: „Mir scheint, der Handel war für beide Seiten angenehm.“ Nun würde er für seinen Teil recht gerne mehr aufs Ganze gehen. Wie wäre es, so fuhr er fort, die Ernte sei in Zukunft sein und ich bekäme festen Lohn, wäre sie auch noch so klein. „Gegen Wetter, Tiere, oder Diebstahl, wärst du breit geschützt und ich könnt’ größer Handeln. Ein Geschäft, das wohl uns beiden nützt.“ Nach einer Nacht des Grübelns hielt ich Dies für einen guten Plan, weil mir das Mehr an Sicherheit, die Angst auch vor der Zukunft nahm. Außerdem bekam ich für die Früchte stets Rabatt beim ihm und es gab die Möglichkeit vom Monatslohn es abzuziehen.

 Es folgte so ein weitres Jahr, in dessen Herbst der Handelsmann in ähnlich angesehn Gewandt galant vor meinem Garten stand: „Dein Land, so sprach er lässig los, ich würd’ es gern mein Eigen nennen. Doch weder würd’ ich dich von dort verjagen wollen, geschweige denn, an unserem Handel etwas ändern, einzig ich bezahlte dir den besten Preis und dafür, nun, gehörte dann dein Garten mir.“ Ich musste an die Kinder denken, unser Haus, das alte Dach und was ein solcher Batzen Geld mit einem schweren Alltag macht. In Gedanken fuhr ich mit den Händen durch den warmen Dreck und am nächsten Tage gab ich zögernd meinen Garten weg. Es ging ein Jahr ins Land und ich zur Arbeit wie bisher, einzig es gehörte nun der Garten mir nicht mehr. Anfangs war ein Stich im Bauch, doch sah ich ihn als Eitelkeit, den schließlich blieb ein bisschen Geld fürs Dach und für den Zeitvertreib.

Später aber, es war Herbst und bald ein Jahr nun her, schmerzte mich mit einem Mal der Gang zur Arbeit sehr, traf mich doch an jenem Platz das Bild in meinem Blick, denn dort wo einst mein Garten stand, war nun eine Fabrik. Der Handelsmann versicherte, das wäre fast das Gleiche, einzig dass das Hochbeet nun dem großen Fließband weiche.

So stehe ich heute manchmal da, in der Maschinen Takt und spüre wie mich irgendwas von ganz da unten packt. Dann denke ich verschwommen an den allerersten Spatenstich. Es bleibt mir die Erinnerung, nur leider blieb mein Garten nicht.

Gemeinschaftliche Predigt

Till Jansen: zu 1. Mose 3, 16-19 

Liebe Gemeinde, 

in diesem Poetryslamtext mit seiner ganzen eigenen Schönheit, Melancholie und Eindringlichkeit werden Bilder benutzt, die einen Pfarrer sofort an bestimmte biblische Bilder denken lassen. Die schweißtreibende Arbeit auf dem Acker, der Verlust eines Gartens, eines Paradieses, das Überreden des Ackermannes, doch etwas anderes zu tun, als „nur Ackermann“ zu sein, das Überreden, ein anderer Mensch zu werden, ein anderes Verhältnis zum Acker und zur Welt zu haben, ja sogar ein charmanter Hinweis des galanten Geschäftsmannes: Ich will dich ja gar nicht von deinem Garten verjagen … aber irgendwie ist er seinen Garten dann doch los…

Mich erinnert dieser Text an die Erzählung vom Paradies und vom Sündenfall, dem Verlust des Paradies-Gartens.

Die Erzählung von Adam und Eva ist eine unheimlich dichte und gehaltvolle Erzählung, zu der man ein ganzes Jahr lang Gottesdienste halten könnte, aber heute soll es nur um die Frage gehen: Was hat das mit „Arbeit“ zu tun?

Ein kleiner Abschnitt dieser biblischen Erzählung führt uns auf eine Spur. 

Adam hatte vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen, was er nicht sollte, weil ihm diese Unterscheidung eigentlich nicht zuzumuten ist. Als Folge dieser Überforderung erkennt er, dass er nackt ist, keine Mittel zur Verfügung hat, mit dieser Unterscheidung von Gut und Böse angemessen umzugehen und er versteckt sich vor dem Gott, mit dem er zuvor vertrauensvoll gelebt hatte. 

Gott aber findet ihn und sagt ihm folgendes: 

„Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“

Liebe Gemeinde, diese Worte Gottes klingen sehr hart und das sind sie auch. Ist Gott so strafend? Ich glaube, dass man diese Worte nur richtig versteht, wenn man einen Perspektivwechsel vornimmt. Adam hat auch zuvor das Land bearbeitet und auch zuvor war das schweißtreibend, Adam war auch zuvor sterblich, auch zuvor war er aus Staub und musste zu Staub werden. 

Aber sein eigener Blick auf diese Verhältnisse, auf die Arbeit auf dem Acker, auf das mühevolle Brotverdienen, auf seine eigene Sterblichkeit hat sich verändert. 

Das, was ihm der Acker durch seine Arbeit gegeben hat, reicht ihm nicht, er sieht Dornen und Disteln und was er erntet ist Kraut. Er empfindet die Arbeit als Mühsal, und Angesichts seiner Sterblichkeit als bedrückend ziellos. 

Wie anders der Mensch zu Beginn des Poetryslams:  Ich begoss den Garten Nachts und düngte ihn bei Tageslicht, saß beseelt im Schweiße da, mich plagte diese Arbeit nicht. Und schließlich stieß sich dort ein Keim den Weg durch seine Erde frei, ich fühlte wie ein Vater mich, als wohnt’ ich dem Gebären bei. Tags darauf erklomm ein Sproß die Bohnenstange, wuchs empor und wurde zur Spirale, die beim Klettern nie den Mut verlor. Das Dach für die Tomaten hat im Sonnenlichte sie geschützt und ich stand mit dem Spaten da, die Hände auf den Stiel gestützt.

Und die Schlange und der galante Handelsmann? 

Sie setzen die Idee ins Herz, man könne mehr sein und mehr haben: 

Neben dem Garten und anstelle des Gartens die Sicherheit, 

anstelle des Genügenden ein kalkuliertes Mehr, 

anstelle von Zeit Geld, das Zeit zu haben vorgaukelt, anstelle von Vertrauen das Planbare, 

anstelle des Wunders von lebendigem Wachstum der Druck des systembedingt notwendigen Wachstums.  

Dann bekommen wir den Eindruck, dass der Acker gegen uns arbeitet und spüren einen Stich im Herzen. 

Dann müssen wir den Acker ausbeuten und technisch- chemisch umbauen, dass er mit unseren Ertragvorstellungen mithalten kann. Vielleicht sind manche unserer Erwartungen falsch, dass wir entfremdet uns selbst auch entfremdet sind von der Arbeit, die wir tun? 

Lutz Geydan zu 1. Mose 1, 27-28 und Psalm 8 

Liebe Gemeinde,

der Bauer von dem Quichotte uns erzählt, wird in den 1830er oder 1840er Jahren gelebt haben. Er hat Familie gehabt, Kinder. Seine Nachfahren haben auch in einer Fabrik gearbeitet. Auch heute noch, in vierter oder fünfter Generation. Inzwischen arbeiten sie in Baunatal und bauen Autos.

Sie alle haben viel erlebt. Freude, Leid, Kriege, Bedrohung, Hunger, Unsicherheit, Hoffnung. Sie haben füreinander gesorgt, Erfahrungen weitergegeben und sich entwickelt. So wie sich auch unsere Gesellschaft, unsere Arbeitswelt weiterentwickelt und verändert hat.

Nach den Erfahrungen ihrer Vorfahren haben sie einiges aber auch anders gemacht. Sie haben nicht allein mit dem Fabrikbesitzer gesprochen. Sie haben sich mit anderen zusammengetan und gemeinsam gesprochen und gehandelt. Sie haben gewerkschaftliche Solidarität gelebt und umgesetzt.

Sie haben die Wirkung, die Liebe und die Nähe erfahren, die Solidarität erzeugt. Sie tun das, was arbeitende Menschen tun müssen, wenn sie sich behaupten wollen. Sie stehen unabhängig ihrer unterschiedlichen Löhne, Posten und Handicaps füreinander ein. Sie sind solidarisch auch mit Schwächeren. Das macht sie noch mal stärker. Das ist auch Barmherzigkeit, die untrennbar zu Gerechtigkeit und Solidarität gehört.

Inzwischen haben sie sich ein Leben aufgebaut, von dem ihre Vorfahren nur träumen konnten. Nie zuvor hatten sie mehr Wohlstand und Sicherheit, trotz aller Ungerechtigkeiten, die es immer noch gibt.

Wie geht es ihnen heute? Wie leben sie? Wie arbeiten sie? Was überwiegt? Arbeit, oder Leben? Geht es ihnen besser, als dem Bauern von Quichotte?

Wir haben es eben gehört – schon Adam musste hart arbeiten. Er hat seinen Boden bestellt und sogar im Schweiße seines Angesichts sein Brot gegessen. Aber war er damit unglücklich?

Till Jansen hat es eben schon mal zitiert: der Arbeiter im Garten saß müde, aber beseelt da. Es ist ihm etwas gutes und ganzheitliches gelungen. Er hat das Feld bestellt und hat es Wachsen sehen. Es hat ihn und seine Familie ernährt. Möglicherweise ein hartes Leben, schroff und den Jahreszeiten ausgesetzt.

Aber auch seine Nachfahren in der Fabrik arbeiten hart. In Tag- und Nachtschichten und auch am Wochenende müssen sie Vorgaben und Ziele erreichen. Immer flexibler und agiler müssen sie sein. Ihre Freizeit nutzen sie immer mehr dazu, Widerstandsfähigkeit für die Belastungen der Arbeit aufzubauen. In den Garten gehen sie zum Ausgleich, freuen sich aber natürlich trotzdem an Obst und Gemüse.

Es geht heute nicht mehr um das Wachstum an einer Bohnenstange. Es geht um – Wirtschaftswachstum, das Voraussetzung dafür ist, das unser System funktioniert. Ein Wachstum, das der Familie viel Wohlstand gebracht hat, Sicherheit. Die Sicherheit, an die der Bauer in seinem Garten gedacht hat, als er ihn verkaufte.

Aber hat dieses Wachstum auch Grenzen?

Kann die Familie weiter unentwegt den Anforderungen aus der Fabrik gewachsen sein? Was macht dieses Wachstum mit unserer Umwelt, mit uns, mit der Schöpfung?

Hat Wachstum Grenzen?

Ja.

Liebe Gemeinde,

Eine der am häufigsten mißverstandenen Bibelstellen finden wir in der Schöpfungserzählung, in 1. Mose 1. Dort heißt es:

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

Macht sie euch untertan, herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht. Das klingt für mich erst mal verstörend. Heißt das, dass wir mit der Erde machen können, was wir wollen? Heißt das, dass uns das Schicksal von Tieren gleichgültig sein kann?

Nein.

In dieser mehrere tausend Jahre alten Erzählung fordert Gott den Menschen auf, die Erde zu gestalten. Der Mensch soll im Einklang mit der Schöpfung Leben und Arbeiten. Er soll für die Erde sorgen.

Was heißt das jetzt, ein paar tausend Jahre später?

Unser Wirtschaftswachstum trägt dazu bei, dass die Schöpfung ausgebeutet wird. Die Lebensgrundlage der Menschen wird zerstört. Das wird deutlich, wenn wir uns den so genannten Welterschöpfungstag anschauen.

Der Welterschöpfungstag ist in einer jährlichen Kampagne der Tag des laufenden Jahres, an dem die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen das Angebot und die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen in diesem Jahr übersteigt.

In 2020 war dieser Tag am 22. August. Ab diesem Zeitpunkt haben wir auf Pump gelebt, der Erde Ressourcen abgetrotzt, die sie nicht wieder aufbauen kann. Wir leben hier nicht im Einklang mit Gottes Schöpfung. Wir folgen nicht seinem Auftrag, die Schöpfung zu bewahren.

Warum ist das so? Aus welchem Grund entfremden wir uns hier so sehr von unserem Schöpfer?

Sicher auch, weil wir alle nicht perfekt sind. Weil wir Zwängen unterliegen, aus denen wir uns nur schwer befreien können.

Und sicher auch, weil wir alle unter Druck stehen, wie die Arbeitenden in der Fabrik.

Ihre Arbeitsergebnisse sind Teil des Mega-Wirtschaftswachstums und sie sind einem erheblichen Druck ausgesetzt. Sie leben immer mehr zwei Leben – ein Arbeitsleben und ein anderes, wirkliches Leben. Das mit ihrer Familie, ihren Hobbys, das in der Schöpfung. Arbeit ist für sie immer weniger etwas, dass sie stärkt. Sie erfahren immer weniger Selbstverwirklichung sondern sind Teil wirtschaftlicher Verwertungslogik. Arbeit entfremdet sie vom wirklichen Leben, von Gott, von der Schöpfung.

Aber, diese Familie, die Nachfahren des Bauern, die haben es schon mal geschafft. Wir alle haben es schon mal geschafft. Zusammen haben wir uns in Solidarität unterstützt und uns etwas aufgebaut. Meine Eltern haben die Grundlage für meine Zukunft gelegt. Sie haben den Boden bereitet für mein Leben. Wir können das noch mal schaffen, wenn wir unsere Solidarität und Liebe auch auf die Schöpfung ausdehnen. Wir können dem Auftrag Gottes nachkommen, die Erde in seinem Sinne zu erhalten.

Liebe Gemeinde,

wir haben heute gemeinsam Psalm 8 gebetet. Ich habe uns diesem Psalm in einer modernen Übertragung mitgebracht. Dort heißt es:

Nur bei dir, Gott, ist das Leben in besten Händen. Wenn ich nachts nach oben sehe und das Firmament bestaune, deinen riesigen Himmel mit Mond und Sternen, mit Milchstraße und Sternschnuppen – alles stammt von dir! Was bin ich dann schon? So klein! So winzig! Ein Menschenkind! Und du denkst an mich! Du hältst mich auch in deiner Hand? Ich soll dir dienen? Ich soll wirklich ein Zeichen von dir sein? Ich kleiner Mensch soll mithelfen deine Erde zu bewachen? Mit allem, was dazugehört: mit Schafen und Rindern, Ameisen und Elefanten? Das ist wunderbar. Herrlich ist das! Lieber Gott, du machst das Leben hell und gut, und in der ganzen Welt sollen die Menschen davon singen.

Lasst uns Gottes Auftrag folgen.

Amen