Gottesdienst vom 14. März 2021 zum Lesen und Hören

Unten können Sie die Predigt von Pfr. Till Jansen vom 14. März 2021 aus der Markuskirche Kassel lesen.

Hier können Sie den Gottesdienst mit Pfr. Jansen und Oliver Vogeltanz (Orgel) anhören:

Eingangsliturgie
Predigt
Ausgangsliturgie

Wochenspruch aus Johannes 12 Vers 24: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

Predigt zum Sonntag Lätare, 14.03.2021 von Pfr. Till Jansen

Bevor wir den Worten des Wochenspruches über das Weizenkorn wieder begegnen, eine kurze Erzählung: Was vorher geschah. 

Jesus hatte einigen Wirbel gemacht auf dem Laubhüttenfest, inmitten eines Jerusalem, das gefüllt war mit Menschen, die zum fest gekommen waren. 

Er predigte vom Leben, auch vom Leben, dass der gute Hirte für seine Schafe lässt, er redet vom Licht der Welt, dass das Leben schenkt, er redet von der Offenheit des Glaubens für alle: Wer sind die Kinder Abrahams? Alle die glauben. Wer gehört zur Gemeinschaft mit Gott? Nicht allein ein Volk, sondern aus allen Völkern die, die glauben. Er führte Streitgespräche mit der religiösen Oberschicht und den religiös gebildeten. Von ihnen war der Plan zur Tötung Jesu schon gefasst. 

Dem Predigen vom Leben folgten Taten: In Betanien erweckt Jesus Lazarus von den Toten, und er selbst wird gesalbt als der Hirte, der das Leben für seine Schafe lässt.  

Dann der Einzug in Jerusalem mit Palmenzweigen und Jubel:

„Hosianna, Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel.“

Die einen jubeln ihm zu. Die Pharisäer und Schriftgelehrten aber sehen immer mehr Anlass, Jesus zu beseitigen.  

Zur selben Zeit, am Rande des Jubels ereignet sich diese Szene. 

Johannes 12, 20-24

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. 22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. 23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Liebe Gemeinde, 

Beim ersten Hören dieses Textes wundert man sich etwas. Warum wird hier so umständlich erzählt? Die Griechen wollen Jesus sehen und wenden sich an Philippus. 

Dieser wiederum geht zu Andreas, sagt es ihm weiter und die beiden zusammen nun endlich sagen es Jesus weiter. 

Wenn man nun Schüler bitten würde, die Geschichte weiterzuschreiben, dann würde wahrscheinlich so etwas herauskommen: Philippus sagt: „Jesus, die Griechen wollen dich kennenlernen“. Jesus antwortet: „Jetzt im Moment ist es schlecht, aber am Abend hätte ich Zeit.“ Also  gehen die Jünger zu den Griechen und vertrösten sie auf den Abend. 

In der Bibel nimmt die Geschichte aber eine ganz andere, unerwartete Wendung. Jesus antwortet gar nicht auf die Frage. Er sagt, vielleicht mehr zu sich selbst: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“ 

Das folgende sollen die Jünger ganz sicher hören und sich merken: 

„24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

Wie mögen sich die Jünger gefühlt haben mit dieser Antwort? Und haben die Griechen Jesus nun eigentlich kennengelernt? Das erfahren wir gar nicht. 

An der Stelle von Philippus und Andreas hätte ich wahrscheinlich ein Fragezeichen auf der Stirn gehabt. 

Eine ganz einfache Frage war das und dann kommt eine Antwort mit Verherrlichen und Weizenkörnern. 

Meinen Kindern würde ich sagen: Könnt ihr bitte erst mal meine Frage beantworten, bevor ihr anderen Kram erzählt? 

Jesus gegenüber wäre das sicherlich etwas unangemessen, also erst einmal selber nachdenken, wie diese Antwort eigentlich mit der Frage zusammenhängt. 

Jesus beantwortet die Frage nicht inhaltlich, sondern er reagiert auf die Frage an sich! Da sind Griechen, das heisst, es sind Menschen, die keine gebürtigen Juden sind, aber dennoch zum Tempel kommen, um zu Gott zu beten. 

Sie tun dies im vordersten Hof, weiter hinein können sie nicht, denn sie gehören nicht so ganz dazu. Sie kommen wahrscheinlich aus der Ferne, sind erst später zum Glauben an den jüdischen Gott gekommen und pilgern doch, wie alle anderen auch, nach Jerusalem, um zu beten. Und diese Menschen wollen nun Jesus kennenlernen, weil sie von ihm und seiner Botschaft gehört haben. 

Was löst also diese seltsame Antwort Jesu aus? Für ihn scheint es eine Art Wendepunkt zu sein. Von Weihnachten und vom Propheten Jesaja her kennen wir die Antwort: Die Völker kommen nach Zion, um zu Gott zu beten, so erwartet es Jesaja; die Weisen aus dem Morgenland kommen, um Jesus in der Krippe anzubeten. Der Glaube öffnet sich, Jesu Botschaft erreicht Menschen aus aller Welt. Aber: Jesus weiß auch, dass seine Botschaft, oder besser, sein Heilswerk noch nicht vollendet ist. 

Für ihn ist klar, dass seine Botschaft allein nicht das ganze Heil ist, erst sein Tod und seine Auferstehung werden die Heilstat sein und sein Wort erfüllen. 

Das Wort vom Weizenkorn gibt also eigentlich gar nicht so sehr eine Antwort darauf, warum Jesus sterben muss. 

Und das Bild hinkt ja auch ein wenig: 

Bei näherem Hinsehen ist der Vergleich des Todes Jesu mit einem Weizenkorn nicht ganz schlüssig, denn das Weizenkorn erstirbt ja eigentlich nicht, sondern es verwandelt sich, es keimt und wächst, und das ist nun einmal etwas ganz anderes als den Kreuzestod zu sterben. 

Vielleicht hadern wir mit diesem Bild, weil wir die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge besser verstehen, aber nochmal: Das Warum des Todes ist in diesem Bild eigentlich zweitrangig, es geht eher darum: Warum jetzt?

Das „Warum“ bedenken wir ein Leben lang, besonders in der Passionszeit und an Karfreitag. Und Antworten gibt es einige: Das stellvertretende Leiden, Gott überlistet den Teufel und den Tod, Gott verschafft sich selbst ein Sühnopfer, Gott zeigt, dass er auch im Leiden und in größter Gottesferne paradoxerweise noch da ist und anderes mehr. Es sind Antworten, die jeweils verschiedene Aspekte in sich tragen und jede für sich allein nie genügt, und auch jede für sich allein problematisch sein kann. Wie gesagt, darüber denken wir ein Leben lang nach. 

Manch einer, wie der berühmte Kirchengeschichtler Adolf von Harnack, wollte das Wort vom Kreuz und das Bekenntnis zur Person Christi gleich ganz abschaffen und stattdessen nur die Predigt Jesu vom liebenden Gott gelten lassen wollte. 

Ja, das Kreuz bereitet uns manches Problem, und zugleich ist das Kreuz das Zentrum unseres Glaubens geworden und alle Überlieferung dreht sich im Kern um das Kreuz, mit Paulus gesprochen: Weil Gott im Kreuz uns mit Gott versöhnt, ohne unser Verdienst allein aus Gnade und aus Glauben. 

Für den Evangelisten Johannes ist das Kreuz nicht Leiden allein, sondern, wie er sagt, vielmehr Verherrlichung Jesu. 

Durch das Kreuz verändert sich das Verhältnis der Menschen zu Gott, der Glaube öffnet sich für alle Menschen in aller Welt, und alle, die glauben, werden, so Johannes, in diese Bewegung Jesu vom Leiden in die Verherrlichung, vom Tod ins Leben hineingenommen, sie gehören zu Gottes Reich schon hier und jetzt. Daher ist bei ihm Jesus im Leiden so souverän und klar: Das Kreuz Jesu muss kommen, damit mit ihm alle, die an ihn glauben, zu ihm gezogen werden in Gottes Reich und in das ewige Leben. 

Auf diese Weise kann man Jesu Wort vom Weizenkorn auch hören: Wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, dann bleibt es allein. Wenn es aber in die Erde fällt, dann werden es ganz viele Körner, dann wächst etwas neuen empor, eine neue Gemeinschaft von vielen. 

Das Nachdenken über unseren christlichen Glauben kommt nie zu einem Ende, unsere Suche nach Antworten ist nie wirklich abgeschlossen, zumindest nicht in diesem Leben. Aber dieses Suchen lohnt sich: 

Besonders dann, wenn man gemeinsam sucht, sich austauscht und über den Glauben spricht: In der Familie, wenn beispielsweise Konfirmand*innen die Eltern fragen, was sie denn eigentlich zu einer bestimmten Frage meinen, im Anschluss an den Gottesdienst, wenn man noch beieinander steht (mit Abstand) und sich über das Gehörte austauscht, in seelsorgerlichen Gesprächen, in einem online-Seniorenkreis wie er das erste mal in diesem Monat stattgefunden hat, im Reliunterricht und und und. 

In der Schriftlesung haben wir auch gehört, dass Paulus nicht ganz allein und in einsamer Zwiesprache mit Gott die Augen geöffnet wurden. Es brauchte Hananias, einen Christen aus Damaskus, der zu Saulus kam, mit ihm Gemeinschaft hatte und erst dadurch Saulus zu Paulus machte. 

Das einzelne Weizenkorn fällt in die Erde, aber es erwächst daraus eine Gemeinschaft, es erwächst viel Frucht, die wir nur in Gemeinschaft ernten und genießen können. 

Gott gebe uns Mut, diese Gemeinschaft zu suchen, in ihr sich auszutauschen, zu feiern und zu beten, zu fragen, einander anzuregen und zu tragen, einander die Augen zu öffnen. 

Amen

Ihnen allen einen gesegneten Sonntag!